Ein Hilferuf auf einer der meist besuchten deutschen Internetseiten klingt nicht gut: Vaginaverengung. Was sich dahinter verbirgt, ist ein oft verschwiegenes Problem. Immer mehr Frauen suchen Unterstützung, weil sie ihre Scheide nach einer oder mehreren Geburten als schlaff und zu locker wahrnehmen. Der “geweitete Beckenboden” lasse sich nicht immer “optimal” zurückbilden, heißt es in dem Artikel. Es geht nicht nur um die Folge Inkontinenz (unwillkührlicher Abgang von Harn und Stuhl), es geht auch um eine als zu weit empfundene Vagina, es geht um schlechteren Sex nach einer natürlichen Geburt, wenn man das Kind wirklich beim Namen nennen will. Die Autorin des Artikels, Nicola Wilbrand-Donzelli, tut sich zwar schwer mit den Experten. Denn diese wollen das Problem mit “schneller” Rückbildungsgymnastik beheben. Gemeint ist wohl, mit Rückbildungsgymnastik schneller beheben. Dennoch bleibt die Autorin hartnäckig und nah am Geschehen: Helfen kann das längst nicht jeder Frau. Wenn klar wird, “dass durch konsequente Gymnastik die Festigkeit des Beckenbodens nichtr mehr erreicht wird”, dann gibt es “angeleitetes” Spezialtraining vom Physiotherapeuten – oder schließlich doch eine Operation. Und das kann dann ein “kleinerer” Eingriff sein, oder aber “anspruchsvolle und mehrschichtige Operationen”.

Wir erfahren nicht genau, wie invasiv, wie eingreifend diese Operationen sind, aber immerhin ist dies einer der wenigen Texte, die in den Publikumsmedien einmal offen thematisieren, dass infolge einer natürlichen Geburt die Sexualität leiden kann, weil der Geburtkanal, insbesondere die Scheide der Frau, die Vagina, zu sehr gedehnt wird. Und, weil festegehalten wird, dass diese Dehnung nicht zwingend zurückgeht mit Hilfe von Rückbildungsgymnastik. Der Experte warnt vor Eingriffen dieser Art ohne medizinische Notwendigkeit. Nun, man sollte vor allen Eingriffen warnen, die ohne medizinische Notwendigkeit vorgenommen werden. Aber das Herumeiern mit den Argumenten zeigt doch ganz klar: Hier liegt etwas im Argen. In den Internetforen suchen Frauen dringend nach Hilfe, klagen darüber, dass sich nach der natürlichen Geburt ihre Vagina zu weit anfühlt, dass sie sich eine Verengung wünschen, notfalls eben mit Hilfe einer Operation.

Was wir nicht erfahren: Wie oft kommt so etwas vor, wie lange hält es nach der Geburt an, welche Risikofaktoren gibt es (außer einem sehr großen Kind mit sehr großem Kopf) und wie stehen die Chancen einer Verengungsoperation. Es besteht Klärungsbedarf, bessere Studien müssen her, damit Schwangere wenigstens eine Ahnung davon bekommen, was sie erwartet und ob sie womöglich vorbeugen sollten.

Eine dieser Studien, die keine so ganz befriedigende Antwort geben, lautet: Does vaginal delivery affect postnatal coitus? und sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Vagina in der Tat weiter wird. Aber, so die Beruhigung für die Frauen, es tangiere nicht die sexuelle Zufriedenheit. Das mag glauben, wer will. Es ist vielleicht einfach das Resultat einer Beschwichtigung von Frauen. Vielleicht freuen sich die Frauen, es geschafft zu haben, vielleicht glauben sie, man müsse auch mit einer laschen Vagina zufrieden sein, vielleicht sind sie einfach nur daran gewöhnt, dass man es eben nicht ändern kann. Aber man sollte es nicht verschweigen, dass da was passiert. Vielleicht dauert es noch, bis wir wirklich ehrliche Antworten erhalten.

Weiß man zwischen den Zeilen zu lesen, dann sollten einem folgende Bemerkungen doch zu denken geben. Wenn in einem Hebammenlehrbuch steht, dass durch vorausgegangene Geburten die Geburtswege “gedehnt” wurden – was heißt das wohl? Und was besagt es, wenn Forscherinnen aus Oslo nachweisen, dass der Druck in der Vagina merklich – signifikant – geringer ist nach einer natürlichen Geburt? Sie haben den Druck, den eine Frau mit der Scheidenmuskulatur aufbauen kann, mit Hilfe eines Luft-gefüllten Ballons gemessen. Frauen, die natürlich entbunden worden waren, konnten längst nicht den Druck in der Beckenbodenmuskulatur aufbauen und aufrechterhalten wie jene, die per Kaiserschnitt geboren hatten. Ebenso gab es gravierende Unterschiede im Hinblick darauf, wie gut sie die Scheide verengen konnten, auch hier gelang es den Kaiserschnittmüttern um ein Vielfaches besser. Besonders schlimm waren die Befunde für jene Frauen, die operative Vaginalgeburten hatten, mit Zange oder Saugglocke.

Oder was sollen wir davon halten, wenn eine Arbeit klar festhält, dass zwar die Sexualität nach natürlichen Geburten öfter “dysfunktional” ist als nach einem Kaiserschnitt, dass aber darunter die Lebensqualität der Frauen nicht leidet? Und schließlich ist da noch die wenig erfreuliche Nachricht, dass ein Beckenbodentraining zwar manchen das Gefühl nimmt, die Scheide fühle sich lose oder lax an, dass sich die sexuelle Zufriedenheit aber nicht bessert.

Quellen:

1.Wilbrand-Donzelli N: Vaginaverengung nach Schwangerschaft. Wenn sich Frauen im Intimbereich chirurgisch optimieren lassen; t-online vom 6. März 2017 http://www.t-online.de/eltern/schwangerschaft/id_80544690/wenn-frauen-ihren-intimbereich-chirurgisch-optimieren-lassen.html

2. Cai L, et al.: International Journal of Impotence Research. 2014;26(1):24-7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23676889

3. Mändle C, Opitz-Kreuter S: Das Hebammenbuch: Lehrbuch der praktischen Geburtshilfe. 1. März 2007 / Schatthauer Verlag

4. Hilde G, et al.: Impact of childbirth and mode of delivery on vaginal resting pressure and on pelvic floor muscle strength and endurance. AJOG 2013;208(1):50.e1–50.e7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23103345

5. Elenskaia K, et al.: Pelvic organ support, symptoms and quality of life during pregnancy: a prospective study. Int Urogynecol J 2013;24(7):1085-90. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23001047