Die Schulterdystokie ist eine schwerwiegende Komplikation unter der Geburt. Damit meint man, dass das Kind stecken bleibt, nachdem der Kopf geboren ist. Das Problem stellen die breiten Schultern dar, die sich nicht leicht “entwickeln” lassen, wie es in der Sprache der Geburtshilfe heißt. Dann hilft oft auch kein verzweifeltes Ziehen am Kopf des Kindes, das birgt eigene Risiken.Nach Analyse zahlreicher Studien zum Thema kommen Geburtshelfer jetzt zu dem Schluss: Sind die Schwangeren adipös, ist das Risiko einer Schulterdystokie in Europa um gut 50% erhöht, in Asien gar um das zweieinhalbfache höher.

Die Forscher haben 20 Studien mit mehr als 2 Millionen Teilnehmerinnen ausgewertet. Es zeigte sich nicht nur, dass die Adipositas das Risiko für das Kind, im Geburtskanal festzustecken erhöht. Die Auswertung legt auch nahe, dass jedes Kilo das Risiko erhöht. So war es um 29% höher (gegenüber nicht adipösen Schwangeren), wenn die Mutter vor der Schwangerschaft einen Body-Mass-Index von 30 bis 35 kg/m2. Es vergrößert sich relativ um 94 % zur Vergleichsgruppe, wenn die Frauen vor der Schwangerschaft einen BMI von 35 bis 40 hatten, und sogar um 147 %, wenn der BMI über 40 kg/m2 lag. Das lässt vermuten, dass auch bereits “nur” übergewichtige Schwangere damit rechnen müssen, dass sie eher als normalgewichtige Frauen mit einer Schulterdystokie rechnen müssen.

Bei rund 0,1 bis 2,4 % aller Geburten – so lauten die ungenauen Angaben – sei mit einer Schulterdystokie zu rechnen. Die Angaben schwanken nicht zuletzt deshalb, weil nicht bei jeder Geburt dokumentiert wird, ob die Hebamme oder der Geburtshelfer kräftiger gezogen haben, wenn die Schulter nicht bald nach dem Köpfchen erscheint. Denn dieses Ziehen kann zu überstarken Dehnungen der Nerven in der Achselhöhle des Kindes und damit zu Armlähmungen führen. Auch Knochenbrüche sind eine Komplikation der Schulterdystokie, häufig am Schlüsselbein oder am Oberarmknochen. Für die Mutter erhöht sich das Risiko der Dammrisse, weil die Geburtshelfer und Hebammen mitunter mit irgendetwas in den Geburtskanal hineingreifen müssen, um die Schulter anders als durch Ziehen herauszubekommen oder es muss gleich ein großer Dammschnitt gemacht werden. Nicht zuletzt drohen Blutungen nach der Geburt.

Ein Grund für die Risikoerhöhung liegt darin, dass übergewichtige und adipöse Schwangere auch häufig zu schwere Kinder haben. So zeigte eine Analyse der Hessischen Perinatalerhebung (HEPE) aus 224 744 reifen vaginalen Einlingsgeburten aus Schädellage der Jahre 2002–2008, dass das Risiko einer Schulterdystokie bei Kindern unter 4000g bei 0,18% lag. In der Gewichtsgruppe 4000 g–4 499 g erhöhte es sich statistisch signifikant um das 8,1-fache und in der Gewichtsgruppe über 4 500 um das 27,3-fache.

Übergewicht und Adipositas sind bei Schwangeren zunehmend ein Problem. Aus einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2013 geht hervor, dass rund 20 Prozent der Frauen zwischen 18 und 39 Jahren übergewichtig sind (BMI von 25 bis 30) und dass im Alter von 18 bis 29 Jahren schon knapp 10 % adipös sind (BMI über 30), bzw. im Alter von 30 bis 39 Jahren dies schon auf 18% zutrifft.

Wer Schwangere in der Geburtsvorbereitung berät, muss also etwa einem Drittel der Frauen sagen, dass sie bei ihrer Geburt in Bezug auf die Schulterdystokie mit höheren Risiken rechnen müssen.

Quellen:

1. Zhang C, et al.: Maternal pregnancy obesity and the risk of sholder dystocia:
a meta-analysis. BJOG 2017 8. September 2017 https://doi.org/10.1111/1471-0528.14841

2. Mensink GBM, et al.: Übergewicht und Adipositas in Deutschland Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1).
Bundesgesundheitsbl 2013;56:786–794. https://edoc.rki.de/oa/articles/rec5I0tIFMfd2/PDF/23JuqX9byg62Q.pdf

3. Berle P et al.: Mütterliche antepartale Risiken einer Schulterdystokie. Z Geburtshilfe Neonatol 2009; 213(5): 171-175.
https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/s-0029-1241869