Biomechanisch ist eine Geburt schlechterdings unmöglich – so lautete das Urteil eines Ingenieurs. Und dieses führt Prof. Dr. John O. L. DeLancey, Chefarzt der Universitätfrauenklinik in Ann Arbor/Michigan, immer dann an, wenn er über Beckenbodenschäden schreibt. Delancey gehört zu jenen unermüdlichen und enthusiastischen Geburtshelfern, die schon seit langem nach Möglichkeiten suchen, treffsicherer als bisher Geburtsschäden vorherzusagen. Eine natürliche Geburt ist nach wie vor der Hauptrisikofaktor für einen Organprolaps, ein Herabsinken und Herausfallen von Beckenorganen wie der Gebärmutter, wenn der Beckenboden nach einer Geburt zu schwach geworden ist. Nach nur 2 natürlichen Geburten verachtfacht sich dieses Risiko sogar. “Unglücklicherweise”, so betont DeLancey, “erkennen wir die meisten Risikofaktoren erst nach (!) der Geburt, also wenn es zu spät ist. Daher sollen sich die nächsten Blogbeiträge den Anzeichen widmen, die zumindest einen gewissen Anhalt dafür geben, ob es gut- oder schiefgehen könnte. Damit Schwangere sich vorher entscheiden können und nicht nachher mit ihren Defekten hadern müssen.

Zu den Kriterien, ob womöglich der Beckenboden zu stark überdehnt wird, gehört die so genannte Minimale Levator Hiatus Circumferenz (MLHC), ein Messparameter im Ultraschall, der den wichtigsten Beckenbodenmuskel, den Levator ani, beschreibt. Dieser wird mit dem Umfang des kindlichen Kopfes (Fetal Head Circumference) in Beziehung gesetzt, um die Head Induced Stretch Ratio (HISR) zu bestimmen. Diese ist ein Indikator für die Diskrepanz zwischen dem, was durch den Geburtskanal muss und dem Geburtskanal selbst. Um den wahren Druck des Ungeborenen auf die Muskulatur zu erfassen, kann auch die Levator ani Stretch Ratio (LASR) herangezogen werden. Diese errechnet sich aus der HISR und dem Gewicht des Babys.

Es zeigte sich in einer Studie mit 173 Frauen, dass sich Aus LASR und HISR wichtige Hinweise auf den Geburtsverlauf ableiten lassen. Die HISR zeigte an, ob womöglich die Austreibungsphase länger dauert, ob eine Zangen- oder Saugglockengeburt droht oder ob zu befürchten ist, dass der Beckenbodenschaden gravierend sein wird. Ebenso gibt die LASR Hinweise auf einen absehbar schwerwiegenden Beckenbodenschaden.

Von diesen Kriterien müsste es mehr geben, fordert DeLancey, damit vor einer Geburt die Schwangeren verlässlich darüber beraten werden können, ob sie eine natürliche Geburt wagen können, oder sich doch angesichts erhöhter Risiken besser für einen Kaiserschnitt entscheiden sollten.

Weitere Anhaltspunkte bieten offenbar die Schwangerschaftsstreifen, davon mehr im nächsten Blogbeitrag.

Quellen

1. DeLancey OLJ: “Mommy, how will the Baby get out of your tummy? Will it hurt you?”. AJOG 2017;Am J Obstet Gynecol. 2017 Aug;217(2):110-111. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28778286

2. Rostaminia G, et al: New Measures for Predicting Birth-Related Pelvic Floor Trauma. Female Pelvic Med Reconstr Surg. 2016;22(5):292-6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27054796

3. Sindhwani N, et al: In vivo evidence of significant levator ani muscle stretch on MR images of a live childbirth.Am J Obstet Gynecol. 2017 Aug;217(2):194.e1-194.e8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28412085