Bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder Magnetresonanztomografie/Kernspin offenbaren, dass es nach einer natürlichen Geburt offenbar öfter Schäden am Beckenboden gibt, als man bisher annahm. Eine soeben veröffentlichte Übersichtsarbeit aus Brasilien zeigt mittels 3D-Ultraschall kommt zu der Schlussfolgerung, das Defekte am Levator ani, am wichtigsten Muskel des Beckenbodens, eindeutig mit einer vaginalen Entbindung einhergehen. Dies manifestiert sich nicht selten in einem Abriss (Avulsion) des Muskels von der Hinterwand der Symphyse, des vorderen Teils des knöchernen Beckenrings. Keine der analysierten Studien fand solche Defekte im Ultraschall nach einem Kaiserschnitt.

In den sechs Studien, die die Forscher für ihre Auswertung zugrunde legten, zeigte sich auch, dass ein Drittel aller Frauen, bei denen sich im Bild Defekte nachweisen ließen, funktionell weniger Kraft in den Beckenbodenmuskeln hatten. Vor allem verbreitert sich ein Winkel, der so genannte Hiatus, was eine Schwächung des Beckenbodens anzeigt. Der Beckenboden besteht aus verschiedenen Muskelschichten, die bei der Frau von der Harnröhre, der Scheide und dem Anus, dem Ausgang des Endarms durchbrochen werden. Diese Schicht spannt sich letztlich von hinten vom Steißbein bis nach vorne zum inneren Teil des Beckenringes. Diese Muskeln müssen alles halten, werden sie schwach, sacken Organe wie die Gebärmutter nach unten. Die inneren Anteile des Levator ani Muskels umschließen die Öffnungen, durch die hinten das Darmende, vorne die Harnröhre zieht. Klaffen diese Muskelteile weiter auseinander, das ist mit der Vergrößerung des Hiatus gemeint, ist die Haltefunktion geschwächt. Offenbar sind Verletzungen an einer Verbreiterung des Hiatusareals um 20 bis 30 % gekennzeichnet. Ob sich dies zurückbildet, ist umstritten. Ein Teil der Studien findet eine Rückbildung, ein anderer Teil findet, dass der Hiatus nach einer natürlichen Geburt dauerhaft größer bleibt als nach Kaiserschnitt. Während der Geburt dehnt sich der Levator ani um bis zu 245 %. Ob Art und Ausmaß der Dehnung mit dem Ausmaß und der Schädigung des Muskels einhergehen, ließ sich nicht sicher beantworten. Wichtig zu wissen: Diese Analyse beschäftigt sich nur mit Erstgebärenden und deren Risiken. Das ist entscheidend, denn nach einer Geburt ändern sich die Verhältnisse. Gleichzeitig gibt dies Frauen, die ihre erste Geburt erwarten, einen Fingerzeig, womit sie rechnen müssen.

Eine Studie aus Peking – diesmal nicht mit Ultraschall, sondern mit Kernspin – lässt vermuten, dass 8 von 10 Erstgebärenden Veränderungen an der Beckenbodenmuskulatur davontragen, selbst wenn die Geburt völlig unspektakulär verlaufen ist. Es zeigten sich sogar einseitige Risse, ohne dass dies subjektiv und bei der äußeren Untersuchung bemerkt worden wäre. Auch zeigten sich Schwellungen (Ödeme) im Knochen des Schambeins, aber keine Knochenbrüche. Die Forscher verglichen diese Befunde von 10 Erstgebärenden mit jenen von 10 Frauen, die keine Kinder zur Welt gebracht hatten. Bei diesen konnten keine der muskulären oder knöchernen Veränderungen nachgewiesen werden. Alle Aufnahmen wurden 6-7 Wochen nach der Geburt gemacht. Was besonders aufhorchen lässt: Sämtliche Läsionen waren nahe am Knochenansatz, auch am Schambein. Das ist der Ort, wo es auch zu Abrissen kommt. Wenn dieser Muskel abreißt, dann lässt er sich nach derzeitigem Kenntnisstand nicht wieder befestigen.

Die Frauen zeigten keine Anzeichen für Schäden, äußerten keine Beschwerden. Was belegt, dass die natürliche Geburt mit Mikrotraumen einhergeht, von denen niemand etwas merken muss – zunächst. Aber es ist offen, ob diese unsichtbaren Verletzungen das Gewebe dennoch schädigen, so dass die Frauen womöglich eher als andere später mit Organsenkungen oder Inkontinenz zu tun haben. Die funktionelle Reserve der Muskulatur könnte geringer sein. Das alles kann, muss sich aber nicht auswirken. Vielleicht wird eine Frau nicht sehr alt und Einschränkungen, wie sie im Alter häufiger sind, treffen sie nicht mehr. Vielleicht bedeutet ein solcher unsichtbarer Riss aber auch, dass man mit 60 statt erst mit 70 eine Vorlage benötigt, weil beim Husten oder Lachen Urin abgeht, oder sich die Gebärmutter senkt und wie ein kleiner Ball zwischen den Beinen spürbar wird. Solche Studie machen aber vor allem klar, dass es dringend geboten ist, Frauen nach Geburten nicht einfach nur zu “inspizieren”, wie dies Hebammen tun, sondern dass wir Daten benötigen, die mit empfindlicheren Messmethoden erhoben worden sind.

Quelle:

  1. De Araujo CC, et al: Does vaginal delivery cause more damage to the pelvic floor than cesarean section as determined by 3D ultrasound evaluation? A systematic review. Int Urogynecol J. 2018;29(5):639-645.  https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs00192-018-3609-3.pdf
  2. Shi M, et al.: MRI changes of pelvic floor and pubic bone observed in primiparous women after childbirth by normal vaginal delivery. Arch Gynecol Obstet. 2016;294(2):285-9. https://link.springer.com/article/10.1007/s00404-016-4023-z