Die britische Schauspielerin Keira Knightley hat unlängst über ihre Geburt gesagt „Meine Vagina ist aufgebrochen“ und mit drastischen Bildern die Beschönigung des Ablaufs einer natürlichen Entbindung kritisiert. Zahlreiche Frauenärzte fordern schon länger, dass mündige Frauen vor einer Geburt eine umfassende Aufklärung über die damit verbundenen Risiken ebenso verdienen wie vor einem Kaiserschnitt. In einem aktuellen Beitrag  im Deutschen Ärzteblatt lasse ich die weltweit führenden Experten zu Wort kommen, die in Sachen Beckenbodenschäden Pionierarbeit geleistet haben. Anlass dafür war die Tatsache, dass eine der Patientinnen, die sich über diesen Blog an mich wandte, bis zum Petitionsausschuss ging, um mehr Aufklärung zu fordern.

Der Artikel benennt in einem Deutschen Fachblatt erstmals sehr ausführlich die Beckenbodenschäden, die bei einer natürlichen Geburt drohen. Gleichzeitig geht es darum, aufzuzeigen, wer besonders gefährdet ist und was man dagegen tun kann. Insofern eignet sich dieser Text (Link: Besser als bisher über Risiken vaginaler Geburten aufklären) auch für alle Frauen, die genauer beim Geburtsvorbereitungsgespräch nachfragen und sich informieren wollen. Sie können ihn nutzen, um ihre Hebamme und ihren Arzt um Aufklärung zu bitten, da es ein offizielles Dokument aus einer Fachzeitschrift darstellt. Die angegebenen Studien stellen genügend Belege zur Verfügung, so dass die Befürchtungen nicht einfach wegdiskutiert werden können. Eine Warnung muss jedoch sein: Die Bilder könnten u.U. ein wenig schockierend werken, da auch ein Vorfall der Beckenbodenorgane darin zu sehen ist. Wer hier empfindsam ist, sollte das bedenken. Ich fasse im folgenden kurz die wichtigsten Aussagen zusammen. 

Dr. Maria Gyhagen von der Universitätsfrauenklinik in Göteborg hat in Langzeitstudien von über 20 Jahren Laufzeit gezeigt, dass Inkontinenz und Prolaps nach vaginalen Geburten wesentlich häufiger zu erwarten sind, als nach einem Kaiserschnitt. Aus diesen Beobachtungen ist der „UR-CHOICE“-Rechner hervorgegangen, ein Algorithmus, der hilft, die Risiken für Inkontinenz und Gebärmuttervorfall für eine Schwangere zu berechnen. Was daraus folgere, wenn man über die Risiken für den Beckenboden aufkläre, sei Sache der Frau, betont Gyhagen. Sie allein müsse entscheiden, welche Risiken sie in Kauf nehmen wolle und welche nicht.

Auch hierzulande mehren sich die Stimmen, die die Beckenbodenschäden als Risiko einer vaginalen Entbindung thematisieren wollen. Der Chefarzt der Frauenklinik am Klinikum Braunschweig, PD Dr. med. Heiko B. G. Franz, klärt angehende Geburtshelfer darüber in Fortbildungsveranstaltungen auf. PD Dr. med. Kaven Baeßler, die Leiterin des Beckenbodenzentrums am Franziskus- und St. Joseph Krankenhaus in Berlin, hat hierfür einen „Beckenbodenfragebogen“ entwickelt und praxistauglich gemacht. Sie geht schon vor der Geburt auf Schwangere zu, um bei erhöhtem Risiko rechtzeitig Therapiemaßnahmen zu besprechen, etwa ein neuartiges Pessar, dass direkt nach der Geburt getragen werden soll.

Vor allem kommt es darauf an, das Handwerkszeug zu verfeinern, mit dem man die Schäden überhaupt erkennen kann. Der Urogynäkologe Prof. Dr. med. Hans Peter Dietz von der Sydney Medical School am Nepean Krankenhaus in Penrith ist derjenige, der wie kein anderer hierfür den Ultraschall zum wichtigsten Diagnoseinstrument gemacht hat. Er hat in zahlreichen Arbeiten all jene Schäden – in erster Linie Abrisse des wichtigsten Beckenbodenmuskels (Levator ani) aber auch kritische Dehnungen – beschrieben und klassifiziert, die die Hauptrisikofaktoren dafür sind, dass die Organe ihren Halt verlieren. Die wichtigste Botschaft der Ultraschallstudien ist, dass Hebammen und Geburtshelfer mit dem bloßen Auge viele Defekte übersehen. Nicht nur Urogynäkologen plädieren infolgedessen dafür, dass die Sonografie verbindlich zu Diagnostik nach der Geburt eingesetzt werden sollte, damit auch frühzeitig therapiert, eventuell genäht werden kann.

Wie man Beckenbodenschäden am besten so gering wie möglich hält, bezeugt Dr. med. Nina Kimmich, Oberärztin der Geburtshilfe am Universitätsspital in Zürich. Diese Klinik repräsentiert im deutschsprachigen Raum eine der seltenen geburtshilflichen Forschungsstätten, wo man nicht nur dezidiert schon auf der Homepage der Klinik die Risiken einer natürlichen Geburt offen anspricht. Dort wird auch systematisch mit Hilfe von Videoaufzeichnungen der Schutz des Beckenbodens vorangetrieben. Das Team der Klinik liefert ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Transparenz in der Aufklärung der werdenden Mütter und Transparenz in der Aufarbeitung von Beckenbodendefekten der richtige Weg sind, diese zu verringern.

Quelle: Lenzen-Schulte, M: Besser als bisher über Risiken vaginaler Geburten aufklären. Dtsch Arztebl 2018; 115(45): A-2062 / B-1716 / C-1693. https://www.aerzteblatt.de/archiv/202437/Beckenbodenschaeden-Besser-als-bisher-ueber-Risiken-vaginaler-Geburten-aufklaeren