Die Botschaft ist nicht neu, nicht für mich und nicht für die, die sich auskennen oder diesen Blog schon länger lesen: Im Vergleich zu einer vaginalen Geburt geht ein Kaiserschnitt mit weniger Harninkontinenz einher und zieht seltener einen Prolaps (ein Absinken der Beckenbodenorgane nach unten) nach sich. Das ist die Hauptbotschaft einer Studie, die unlängst im Journal of the American Medical Association JAMA veröffentlicht worden ist. Die Frauen wurden 5 Jahre nach der Geburt untersucht.

Insgesamt haben die Forscher das Schicksal von 1528 Frauen nachverfolgt. 778 erhielten einen Kaiserschnitt, 565 haben spontan entbunden und bei 185 von ihnen musste das Kind mittels eines Instrumentes, Zange oder Saugglocke, geholt werden. Bei den natürlichen Geburten ohne Hilfe eines Instrumentes betrug die Häufigkeit einer Stressinkontinenz (den Urin beim Husten, Niesen, Hüpfen, schwer tragen, Bauchpresse anspannen, etc. nicht mehr halten können) in den darauffolgenden 15 Jahren 34,3 %. Die einer überaktiven Blase (oft den Drang spüren, Wasserlassen zu müssen) 21,8 %, einen Organprolaps zu erleiden (Vorfall der Gebärmutter durch die Scheide oder Druck von Darm oder Harnblase durch die Scheidenwand) 30,0 %. Die Stuhl- oder Analinkontinenz (defekter Darmverschluss, so dass Darmgase, fester oder flüssiger Stuhl nicht zurückgehalten werden kann) trat mit einer Häufigkeit von 30,6 % nach natürlichen Geburten auf. Für den Kaiserschnitt war das Vorkommen um relative 50,4% (Stressinkontinenz), 49% (Dranginkontinenz) und sogar 78% (Prolaps !) geringer, während Zange oder Saugglocke die Häufigkeit einer Analinkontinenz um relative 75% und den Prolaps um 88% erhöhten.

Das macht es neben den vielen anderen Studien, die es dazu gibt noch einmal amtlich und fasst es auch gut zusammen. Am ehesten schützt der Kaiserschnitt vor dem Organvorfall und weiterhin vor der Harninkontinenz. Auch kam es nach einem Kaiserschnitt später seltener zu einer Analinkontinenz, mit 25,8% statt 30,6%, aber der Unterschied war nicht so groß, als dass er signifikant genannt werden kann. Bekannt ist auch, dass Zange oder Saugglocke schwere Schäden hervorrufen, vor allem eine Gefahr für den Darmausgang und für den Verlust der Haltefunktion für die Beckenorgane wie die Gebärmutter bedeuten. Wichtig auch die Botschaft, dass adipöse Frauen ein mehr als doppelt so hohes Risiko hatten, sowohl eine Anal- als auch eine Harninkontinenz gemeinsam zu entwickeln. Hier zeigt sich, dass es Risikofaktoren gibt, die vor der Geburt bedacht werden sollen, wenn man sich für eine Geburtsform entscheidet. Und schließlich fanden die Forscher der John Hopkins Universität, dass eine Harninkontinenz sich schon in den ersten Jahren nach der Geburt bemerkbar machen kann, während es mit dem Prolaps meist ein paar Jahre länger dauert.

Als wichtiger Risikofaktor stellt sich auch der so genannte Genitale Hiatus dar. Darunter versteht man den Abstand zwischen dem Austritt der Harnröhre (exakter – deren Mitte) und dem hinteren Hymen, also in etwa der hinteren Begrenzung der Scheidenwand (hier in einer Schemazeichnung oder hier). Es ist also eine Strecke, die man messen kann, und die dem Fachmann Auskunft darüber gibt, wie tragfest das Gebäude Beckenboden noch ist. Wenn die Länge dieser Strecke größer als 3cm aber noch unter 3,5 cm beträgt, dann ist laut dieser Studie schon ein höheres Risiko von Stressinkontinenz und Prolaps gegeben – dies im Vergleich zu jenen Frauen, bei denen die Strecke kleiner gleich 2,5 cm war. Wer aber einen Hiatus mit einer Länger größer als 3,5 cm aufwies, dessen Prolapsrisiko war um fast das Zwölffache (11,74) höher und dessen Risiko für Stressinkontinenz mehr als doppelt so hoch (2,31; überaktive Blase/Drang: 2,09-fach höher; Analinkontinenz: 1,60-fach). Man sieht: es gibt Anhaltspunkte, die auf ein zum Teil deutlich höheres Risiko hinweisen. Aber: Es fehlt an Untersuchungen und Studien, die diese Anhaltpunkte so definieren und charakterisieren, dass sie in der Geburtshilfe tatsächlich im Alltag auch benutzt werden könnten. Bisher ist das Forschung und keine Praxis. Dennoch ist zu empfehlen, dass eine Frau sich vor der Geburt hier von einem versierten Urogynäkologen oder Gynäkologen Auskunft einholt, wie es mit ihrem Hiatus steht. Ist der vergleichsweise groß bemessen, geht ist sie einem höheren Risiko ausgesetzt und sollte das vorab besprechen, um über Möglichkeiten nachzudenken, wie man bei ihr das Risiko senken kann.

Quelle: Blomquist JL, et al.: Association of Delivery Mode With Pelvic Floor Disorders After Childbirth. JAMA 2018;320(23):2447. https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2718794