Babys Köpfchen ist zart. Die knöchernen Platten sind noch weich, außerdem sind die Nähte zwischen den verschiedenen Knochenplatten am Schädel des Neugeborenen noch nicht fest verknöchert. Stellt man sich vor, das man dieses Köpfchen zwischen die zwei Löffel der Geburtszange presst, fest zudrückt und das Kind damit heraus zieht, klingt das ganz schön martialisch. Lange galt die Saugglocke als die schonendere Variante, weil hier mit einer Art Halbschale oben am Kopf ansetzt, diese mit Unterdruck fixiert und dann damit am Kind zieht. Beide Verfahren sind offenbar geeignet, Schäden beim Kind zu verursachen. Eine jüngste Studie aus Griechenland zeigt sogar: Hirntumore und Nervendefekte kommen nach einer Geburt mit Saugglocke oder Zange überdurchschnittlich oft vor. Da beruhigt es nicht gerade, dass in Deutschland die Zahl der Saugglockengeburten merkbar ansteigt.Ärzte an der Universität Athen haben unter der Leitung von Eleni Petridou die Daten eines großen griechischen Registers ausgewertet: des National Registry for Childhood Hematological Malignancies and Solid Tumors NARECHEM, das ist das Kinderkrebsregister Griechenlands. Dadurch möchte man herausfinden, welche Risikofaktoren mit Krebserkrankungen im Kindesalter und später einhergehen. Verglichen hat man die Angaben zum Geburtsverlauf bei 203 Kindern mit der Diagnose Hirntumor mit den Geburtsabläufen von 406 Kindern gleichen Alters, die nicht an diesen bösartigen Tumoren erkrankt waren. Das Ergebnis: Nach Saugglocken- oder Zangengeburt war das Risiko, im Kindesalter einen Tumor im Gehirn zu entwickeln, um fast das Achtfache höher als jenes von Kindern, die ohne Instrumente wie Zange oder Saugglocke vaginal entbunden worden waren. Zunächst ist dies ein rein statistischer Zusammenhang zwischen Geburtsvorgang und Tumorrate und damit ein erster Fingerzeig. Ob die Zange und die Saugglocke die Ursache sind, oder dahinter noch andere Gründe stecken, lässt sich nicht so ohne weiteres beantworten. Allerdings gibt dies zu denken, man muss genauer untersuchen, welches Ausmaß die Gewalteinwirkung hat, der der Kopf des Ungeborenen ausgesetzt ist. Es könne sein – so lautet die Vermutung der griechischen Wissenschaftler – dass beim Herausziehen der Kopf nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich malträtiert wird. Bekannt ist nämlich von Erwachsenen, dass verletzungsbedingte Hirnschädigungen mit einem höheren Risiko für bestimmte Hirntumore (Gliome) einhergehen.

Was die Studie uns außerdem lehrt, ist die Tatsache, dass der Kaiserschnitt hier ungleich schonender ist, noch schonender als eine natürliche Geburt, denn er stellt die geringste Gefahr für den kindlichen Kopf bzw. das Gehirn dar: Nach einem Kaiserschnitt traten selbst im Vergleich zu einer komplikationslosen Normalgeburt noch einmal deutlich weniger Hirntumore auf. Die Risikokaskade verläuft also so: Am gefährlichsten sind Saugglocke und Zange, dann kommt die natürliche Geburt, bei weitem am schonendsten ist der Kaiserschnitt. Dies sollte bedacht werden, denn oft gilt eine Zangen- oder Saugglockengeburt einfach auch als eine “natürliche” Geburt. In den Geburtsvorbereitungskursen wird meist nur am Rande darauf eingegangen, es heißt dann, “wenn die Mutter Hilfe beim Pressen benötigt”. Verschwiegen wird, wie dramatisch es ist, wenn das Kind steckenbleibt und die Geburt stagniert. Dann werden beschwichtigende, wohlklingende Ausdrücke benutzt, es wird so getan, als würde das Baby “sanft” herausgezogen, die Mutter “vorsichtig” unterstützt. Das ist eine Beschönigung, die dem Alltag im Kreißsaal nicht entsprechen. Hier im Blog wurde bereits ausführlich die Untersuchung von Gunilla Ajne und ihrem Team von der Frauenklinik am Karolinska-Institut in Stockholm besprochen. Sie haben gemessen, wie groß die Kräfte sind, die bei der Anwendung der Saugglocke auftreten und stellten fest, dass bei leichtem Zug durchschnittlich 176 Newton einwirken, muss man stark ziehen, sind es schon bis zu 241 Newton. Selbst Geburtshelfer waren überrascht, hatten sie die Sogkräfte doch um die Hälfte zu niedrig eingeschätzt.

Deshalb sehen manche Ärzte auch die Saugglockenentbindung als Geburtsform mit eigenen Risiken. Dennoch kommt sie immer häufiger zum Einsatz. Waren es im Jahr 2007 noch 30 836 Vakuumgeburten, kamen bis 2017 noch einmal rund 15 000 hinzu. Dies ist nicht allein der seither gestiegenen Geburtenrate geschuldet. Das liegt vor allem daran, dass die immer älter werdenden Erstgebärenden, die immer öfter schwerere Kinder haben, immer kompliziertere Geburten durchleben müssen. Wenn trotz solcher Handicaps die natürliche Geburt favorisiert wird, bleibt meist nur die Saugglocke, um die Geburt zu beenden, da die Zange angesichts noch größerer Nachteile kaum noch zum Einsatz kommt. Saugglocke oder Zange sind also immer ein Zeichen dafür, dass eine natürliche Geburt nicht aus eigener Kraft der Mutter beendet werden kann und damit schlecht gelaufen ist. Daher sollte man als Schwangere vorsichtig sein und nach dem Anteil der Saugglockenentbindungen in einem Krankenhaus fragen. Das verdeutlicht folgendes Beispiel: In einem Aufsatz in der Zeitschrift „Die Hebamme“ sollte anhand von Erfahrungen am Evangelischen Diakoniekrankenhaus in Freiburg eigentlich gezeigt werden, wie gut man darin war, vom Kaiserschnitt wegzukommen. Das ist zwar gelungen, denn dort haben Hebammen und Ärzte die Kaiserschnittrate von 2009 bis 2013 kontinuierlich von 30,3 % auf 22,5 % senken können. Aber vor dem Hintergrund, was man über die Risiken der Saugglocke weiß, muss man dieses Ergebnis kritisch sehen, denn die Senkung der Kaiserschnittrate hatte einen Preis – der Anteil der Saugglockengeburten lag dafür mit 16 % weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt von unter 6%. Ob solch ein „Tausch“ angesichts der aktuellen Studien wirklich sinnvoll ist, sollte überdacht werden. Das heißt nämlich, man treibt die Frauen durch die natürliche Geburt, man will partout keinen Kaiserschnitt, aber viele schaffen es nicht, brauchen zu einem ungewöhnlich hohen Prozentsatz die Saugglocke. 22,5% Kaiserschnitte und 16% Saugglocke heißt – auch hier hatten 38,5 % der Frauen keine normale natürliche Geburt. Ist es das wert? Das Krankenhaus verkauft sich als Haus mit niedrigen Kaiserschnittraten, in Wahrheit sind am Ende Mütter und Kinder womöglich mehr geschädigt, als in einer Klinik, in der man diese schweren Geburten vorher durch einen Kaiserschnitt beendet. Inzwischen steigt der Anteil der Saugglockenentbindungen in ganz Deutschland vielleicht wegen dieses Trends stark an. Immer mehr Kliniken versuchen, Kaiserschnitte zu vermeiden, also erleben Frauen zunehmend schwierige Geburten, die dann mit Instrumenten wie Zange und Saugglocke beendet werden müssen. Im Jahr 2017 benötigten laut statista.de 45.166 von insgesamt 784.901 Neugeborenen die Saugglocke, für dasselbe Jahr meldet die Gesundheits­berichterstattung des Bundes 2.580 Zangengeburten. Im Jahr 2007 waren es noch 30 836 Vakuumgeburten, es kamen also bis 2017 noch einmal rund 15 000 hinzu. Dies ist nicht allein der seither gestiegenen Geburtenrate geschuldet, auch der prozentuale Anteil ist seither gestiegen.

Zwar hat noch nie eine Gruppe so deutlich den Zusammenhang zwischen Hirntumoren und instrumenteller Geburt gezeigt wie jetzt die griechischen Forscher. Aber schon länger wird diskutiert, ob das Geburtsgewicht und die Größe des Ungeborenen das Risiko für Gehirntumoren erhöhen könnten. In einer der Studien ging ein großer Kopfumfang später bei jungen Männern mit einem höheren Risiko für Hirntumore einher, die aus den Hirnhäuten entstehen (Meningeome). Eine Auswertung mehrerer Studien, an der auch Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg beteiligt waren, belegt ebenfalls eine Korrelation zwischen einem hohen Geburtsgewicht (≥ 4.000 g) und bestimmten Hirntumoren – in diesem Fall waren es Astrozytome, deren Ursprung die Füllzellen im Gehirn sind. Ein schweres Kind oder eines mit überdurchschnittlich großem Kopf bleibt eher im Geburtskanal stecken. Wenn sich die Geburt verzögert und sich am Ende im Kreißsaal nervöse Hektik breit macht, weil beim Kind ein Sauerstoffmangel droht, soll meist die Saugglocke es richten. Es könnte sich also um einen mittelbaren Effekt handeln – der Einsatz der Saugglocke steht für eine schwere, komplizierte Geburt. Das zeigt sich auch in einer anderen Studie: So geht aus einer Analyse des Schwedischen Geburtsregisters – es erfasst nahezu lückenlos 99% der Geburten – hervor, dass nach einer Saugglockengeburt umso mehr Schäden zu fürchten sind, je schwerer das Kind bei der Geburt ist. Das gilt für Krampfanfälle, Lähmungen der Armnerven oder auch Blutungen innerhalb des Schädels.

Während nun die einen es positiv hinstellen, wenn die Kaiserschnittraten zurückgehen – und dafür in Kauf nimmt, dass die Zahl der Saugglockengeburten ansteigt – sehen andere Geburtskliniken dies viel kritischer und strengen sich an, diese Entbindungsform so sicher wie möglich zu machen. Wenn bei einem großen Kopf oder schweren Kind die Saugglocke abrutscht und mehrere Versuche notwendig sind, werden nicht nur Mutter und Baby unnötig traktiert, es vergeht auf wertvolle Zeit, wenn am Ende doch nur ein Kaiserschnitt das Kind retten kann. Die korrekte Platzierung der Saugglocke ist daher essentiell, wie Beobachtungen am Universitätsspital in Zürich zeigen. Dort bemüht man sich geradezu vorbildlich, die Schäden für Mutter und Kind durch eine Analyse möglicher Fehlerquellen zu minimieren. In Zürich dokumentieren die Ärzte bereits seit mehreren Jahren anhand einer Schemazeichnung und mittels Fotografien, wo sich der Abdruck der Saugglocke am kindlichen Köpfchen befand. Damit lässt sich später objektiv nachvollziehen, ob sie korrekt platziert war – eine Form von Qualitätskontrolle, wie man sie von allen Geburtskliniken verlangen sollte, damit die Eltern später nachvollziehen können, was passiert ist, damit insbesondere alle sich anstrengen. Denn in Zürich gab es erkennbare Verbesserungen. Diese führt man darauf zurück, dass sich die Geburtshelfer durch die exakte Dokumentation und Videoaufnahmen verstärkt beobachtet fühlten. Hier lässt man sich also bewusst auf die Finger oder in die Karten schauen – zum Wohl von Mutter und Kind. Dies funktioniere allerdings nur mit der positiven Einstellung, mit Fehlern konstruktiv umgehen zu wollen, schreiben die Autoren aus Zürich.

Noch ein Satz zur Beruhigung: Hirntumore machen rund 25% aller Krebsfälle im Deutschen Kinderkrebsregister aus, sie betreffen 2 bis 4 Kinder und Jugendliche von 100.000 im Alter bis zu 15 Jahren und nehmen zu. Betrachtet man die absoluten Zahlen, so ist die für die instrumentellen Geburten festgestellte Risikoerhöhung sehr gering, da jährlich insgesamt etwa 500 Kinder in ganz Deutschland neu an einem solchen Tumor erkranken. Keineswegs müssen also nun Mütter, deren Kinder mittels Glocke oder Zange geholt wurden, fürchten, ihr Kind entwickle einen Hirntumor, das ist nach wie vor extrem selten. Solche Risikoerhöhungen zeigen sich nur in großen Registern. Aber sie werfen ein Licht auf die Geburtshilfe. Sie zeigen, dass es nicht egal ist, einfach natürliche Geburt und Kaiserschnitt zu vergleichen. Vielmehr muss man immer genau hinschauen, was passiert, wenn die Politik einer Geburtsklinik so aussieht, dass man unbedingt eine Geburt natürlich beenden will.

Quellen:

  1. Griechisches Geburtsregister: National Registry for Childhood Hematological Malignancies and Solid Tumors (NARECHEM-ST)
  2. Petridou E, et al.:  Perinatal and early life risk factors for childhood brain tumors: Is instrument-assisted delivery associated with higher Risk?Cancer Epidemiology 2019;59:178-184; Link: 10.1016/j.canep.2019.01.017
  3. Petterson K, et al.: Traction force during vacuum extraction: a prospective observational study. BJOG 2015;122(13):1809-1816. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29499582
  4. Taschner U, et al.: Interventionen kritisch hinterfragen: Erfahrungen im Ev. Diakoniekrankenhaus Freiburg. Die Hebamme 2014; 27(03):158-162. https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0034-1373887.pdf
  5. Aberg K, et al.: Vacuum extraction in fetal macrosomia and risk of neonatal complications: a population‐based cohort study. Acta Obstetricia Gynecologica Scandinavica AOGS 2016;95(10):1089-1096 https://obgyn.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/aogs.12952
  6. Burckhardt C, et al.: A Structured and Photographic Documentation of the Vacuum-Assisted Vaginal Delivery. Zeitschrift Geburtshilfe und Neonatologie. 2018;222(1):25-27. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29499582