Niemand bestreitet mehr, dass eine Frau nach einer Geburt seltener inkontinent wird, wenn sie statt auf natürliche Weise mit einem Kaiserschnitt geboren hat. Das gilt besonders für Frauen mit Risikofaktoren – etwa wenn sie älter sind oder schwere Babys zur Welt bringen müssen. Aber häufig bestreiten Experten dies mit einem Argument, das die Schwangeren beruhigen soll: Denn erstens schütze der Kaiserschnitt nur vor leichten Beschwerden einer Inkontinenz, also wenn es nur ab und zu mal ein wenig tröpfele. Und zweitens würde sich im Alter der Unterschied sowieso aufheben: Irgendwann seien die Kaiserschnittmütter genauso häufig oder selten inkontinent wie ein vergleichbares Kollektiv von Frauen, das natürlich geboren hat. Das lässt sich nicht mehr behaupten. Vielmehr gilt: Der Kaiserschnitt hat in punkto Stressinkontinenz dauerhaft eine Schutzwirkung für den Beckenboden. Dies zeigt eine neue Studie aus Schweden, die schon jetzt als bahnbrechend bezeichnet werden muss.Maria Gyhagen von der Universität Göteborg in Schweden hat mit ihrer Arbeitsgruppe schon zahlreiche wertvolle Studien zur Frage geliefert, was eine natürliche Geburt für den Beckenboden bedeutet. In einem neuen Vergleich von 3 großen Kohorten haben die Schweden erneut herausgearbeitet, was die Art der Geburt für die Frau bedeutet: Sie haben drei Gruppen verglichen: a) Frauen, die nie geboren haben, b) Frauen die ein Kind mittels Kaiserschnitt zur Welt brachten und c) Frauen, die eine natürliche Geburt hinter sich hatten. Die erlaubte es, genau zu unterscheiden, was bewirkt eine Geburt überhaupt für den Beckenboden und was bewirkten verschiedene Arten, zu entbinden. Da Frauen mit mehreren Schwangerschaften andere Ergebnisse erwarten lassen, hat man hier nur Frauen mit einem Kind untersucht, die dies jeweils verschieden zur Welt brachten. Befragt wurden Frauen zwischen 40 und 65 (ältere Frauen hatte man hier deshalb nicht befragt, weil diese häufiger schon Medikamente einnehmen, die inkontinent machen können – das hätte die Ergebnisse verfälscht).

Frauen, die nie ein Kind geboren haben, hatten in Sachen Blasenschwäche am wenigsten zu fürchten – es ging hier insbesondere um Stressinkontinenz, also das Unvermögen, den Harn beim Niesen, Husten, Heben des Kindes oder bei anderem Anspannen der Bauchpresse. Frauen, die vaginal geboren haben, hatten nicht nur signifikant häufiger eine Harninkontinenz als jene, die per Kaiserschnitt entbunden hatte. Sie hatten auch mehr zu leiden, weil diese schwerwiegender war. Ihnen droht also nicht nur, dass mitunter ein paar Tröpfchen Urin unwillkürliche in die Hose gehen, ohne dass sie dies verhindern könnten. Bei ihnen geht Urin in größeren Mengen ab, schon dann, wenn die Blase noch kaum gefüllt ist und auch schon, ohne dass sie wirklich heftig Husten oder Pressen. Das heißt: der Kaiserschnitt schützt auch im Alter, also langanhaltend und er schützt ebenfalls vor schwereren Formen der Harninkontinenz. Somit senkt er vermutlich auch die Rate der Inkontinenzoperationen, denn Frauen, die stark leiden und von massiven Beschwerden betroffen sind, die hoffen auch öfter darauf, dass ihnen eine Operation Linderung verschafft.

Warum ist diese Studie bahnbrechend? Jene Experten, die den Kaiserschnitt kritisch sehen und versuchen, die Nachteile einer natürlichen Geburt herunterzuspielen, haben sich lange dagegen gewehrt, die Beckenbodenschäden der Frauen überhaupt als ein wichtiges Problem anzuerkennen. Sie haben zudem versucht, die Schutzeffekte des Kaiserschnitts herunterzuspielen. Mit dem Effekt, dass auch jene Frauen, bei denen man der gesamten Risikokonstellation nach einen erheblichen Schaden zu erwarten hatte, nach wie vor zu natürlichen Geburten überredet, ja förmlich dorthin getrieben wurden. Sogar im Kreißsaal, wenn klar wird, dass eine Geburt ganz unglücklich verläuft und viel zu lange währt, sogar dann noch beharren solche Geburtshelfer und Hebammen stur heil darauf, man müsse es natürlich versuchen und weitermachen. Mit der Folge, dass die schweren Schäden der betroffenen Frauen niemals durch andere Vorteile der natürlichen Geburt gut gemacht würden. Je mehr die “Kaiserschnittgegner” erkennen, dass die Frauen hellhörig werden in punkto Beckenboden und Kontinenz, desto mehr versuchen sie die Studienergebnisse herunterzuspielen. Das klingt dann etwa so: Ja, es stimmt, es gibt einen gewissen Schutz, nach der natürlichen Geburt sind zwar mehr Frauen inkontinent als nach Kaiserschnitt, aber später, im Alter, wenn dann auch bei vielen noch Übergewicht dazukommt, dann wirken diese anderen Risikofaktoren so stark, dass es eh egal ist für den Beckenboden, ob man so oder so geboren hat. Und das ist es eben nicht. Auch später spüren Frauen noch die Vorteile des Kaiserschnitts für den Beckenboden, auch später haben sie noch etwas davon: Seltener als Frauen nach natürlichen Geburten müssen sie mit Windeln herumreisen oder sich in der Öffentlichkeit um ihren eigenen Uringeruch Sorgen machen. Das ist relevant, wenn ich 50 oder 60 Jahre alt bin und Begegnungen und Reisen ungestört genießen kann, wenn ich im Beruf nicht befürchten muss, dass man mein Handicap bemerkt.

Das alles herauszufinden und mit Studiendaten zu belegen, braucht Zeit. Auf diese Zeit spielten die Kaiserschnittgegner lange, weil es nicht einfach war, ihre beruhigenden Argumente zu widerlegen. Aber die Frauen werden älter, es wird für sie immer wichtiger, nicht nur mit 35 den Harn zu halten, sondern auch viele Jahre später. Deshalb ist diese Studie, die erstmals verlässliche Ergebnisse in punkto Langzeitwirkungen bietet, so besonders und so bedeutsam.

Quellen:

  1. Gyhagen M, et al: The effect of childbirth on urinary incontinence: a matched cohort study in women aged 40-64 years. AJOG 20. Mai 2019 Link: https://www.ajog.org/article/S0002-9378(19)30680-5/abstract