Wer nach einer Geburt einen Beckenbodenschaden erleidet, weiß oft nicht, wie er juristisch klären kann, ob hier ein Fehler der Hebamme, des Teams im Kreißsaal, der behandelnden Ärzte oder der Klinik vorgelegen hat. Viele erinnern sich zwar an Ereignisse, die sie Verdacht schöpfen lassen. Allerdings scheuen sie sich, gleich einen Rechtsanwalt zu beauftragen, um ihren Fall rechtlich zu vertreten. In einschlägigen Facebook-Gruppen oder Internetforen, wo sich Frauen über ihre Beckenbodenschäden austauschen, lautet daher die Frage oftmals: Was habe ich für Rechte? Hier geht es nicht selten um substantielle, erhebliche Ansprüche. Denn wenn ein eindeutiges Fehlverhalten vorliegt und der Schaden gravierend ist, dann kann eine Frau womöglich Rentenansprüche einklagen, wenn sie deswegen in ihrem Beruf nicht mehr arbeiten kann. Es gibt eine vergleichsweise einfache und kostengünstige Methode, sich erste Klarheit zu verschaffen.
Viele Frauen benötigen einige Zeit nach der Geburt, um sich darüber klar zu werden, dass sie einen dauerhaften Beckenbodenschaden haben. Viele verlieren nach einer natürlichen Geburt Urin, einige spüren, dass ihr Beckenboden “schwächer” ist als zuvor, manche können sogar schon sehr früh zum Beispiel ihre Gebärmutter mit dem Finger in der Scheide ertasten, weil sie nach unten drückt (Prolaps). Einige spüren auch, dass der Schließmuskel des Darmes weniger dicht hält, sie verlieren unkontrolliert Wind, flüssigen oder gar festen Stuhl. Zunächst werden sie vertröstet, in der Klinik und von der Hebamme. Wenn die Nachsorge beendet ist, müssen die sich nicht mehr kümmern, dann bleibt nur der Frauenarzt. Auch der sagt häufig, das “werde wieder”, das gebe sich nach dem Abstillen, usw. Tatsächlich bildet sich bei manchen Frauen der Schaden zunächst zurück, weil sie noch jünger sind, ihr Gewebe noch regenerationsfähig ist. Was ist aber, wenn die Schäden von Dauer sind und der ein oder anderen Mutter der Verdacht kommt, dass dies mit der Geburt zusammenhängen könnte. Sie haben zum Beispiel eine sehr langwierige, schwierige Geburt erlebt, die mit einer Saugglocke oder Zange beendet werden musste. Oder es gab einen Dammschnitt, oder man hat “kristellert” – also jemand hat mehr oder minder heftig und mit Kraft am Ende der Austreibungsphase auf den Bauch gedrückt, um das Kind schneller herauszubekommen. Oder es war ein sehr schweres Baby von 4000g (plus/minus). Das sind alles Risikofaktoren, die öfter mit Beckenbodenschäden einhergehen. Nun heißt das noch nicht, dass jemand bei der Geburt einen Fehler begangen hat, der justitiabel wäre und Ansprüche begründet. Vielleicht aber doch. Vielleicht war der Dammschnitt nicht richtig ausgeführt, hätte die Zange vermieden werden können, vielleicht war das Kristellern zu heftig oder vielleicht hatte die Mutter ein so hohes Risiko für Beckenbodenschäden, dass man sie hätte aufklären müssen, damit sie sich hätte überlegen können, ob sie überhaupt eine natürliche Geburt wagen kann.
In solchen Verdachtsfällen kann die eigene gesetzliche Krankenkasse – dazu gehört zum Beispiel die AOK, die Barmer, die Techniker Krankenkasse (TK) oder die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), um einige wichtige zu nennen. Diese Kassen nehmen die Beschwerden auf und lassen sie vom MDK – vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen – überprüfen. Natürlich heißt das nicht, dass schon ein Urteil gefällt ist. Aber wenn es begründete Hinweise auf eine unsachgemäße Behandlung gibt, kann sich das schon bei solch einer Prüfung herausstellen. Das ist kostenlos. Die meisten denken in der Geburtsmedizin, dass nur dann ein Schadensfall gegeben ist, wenn die Gesundheit des Kindes beeinträchtigt ist. Aber genauso gut wird geprüft, ob dies bei einer Beschwerde der Mutter der Fall ist.
Das bedeutet aber, dass zunächst ein Schaden festgestellt werden muss. Dazu müssen Frauen hartnäckig bleiben, wenn ihre Frauenärzte Geburtsschäden als “schicksalshaft” abtun. Wenn ein Dammschnitt in die falsche Richtung führt und dann weiterreißt und den Darmschließmuskel verletzt, ist dies nicht schicksalshaft. Wenn man die weit problematischere Zange wählt statt der Saugglocke, ist das nicht schicksalshaft, wenn es zum Beispiel zu einem Abriss des Levatormuskels, des Hauptmuskels im Beckenboden, kommt. Diesen Abriss kann man heute feststellen. Genauso kann man falsch gesetzte Dammschnitte erkennen. Hinzu kommt, dass bei der Therapie etwas falsch gemacht werden kann. Wenn ein sehr unerfahrener Assistenzarzt schwierige Dammverletzungen nähen soll, so kann darin ein Verschulden der Klinik liegen, weil ihm dazu das Können fehlt. Es sind etliche Konstellationen denkbar, die hier Ansprüche begründen. Wichtig ist deshalb, dass man zum Beispiel von einem Urogynäkologen den Schaden dokumentieren lässt, dass man dann den Geburtsbericht anfordert, dass man aber auch immer jemanden dabei hat, der notfalls Dinge, die nicht im Geburtsbericht stehen, bezeugen kann. So ist es zum Beispiel nicht gesagt, dass dokumentiert wird, ob kristellert wurde. Wenn dann aber der Partner bestätigen kann, dass sich mehrere Personen mit Wucht auf den Bauch geworfen haben, sieht es schon anders aus: Denn Studien zeigen, dass diese Maßnahme mit einem höheren Risiko für Muskelabrisse im Beckenboden einhergeht.
Viele geschädigte Frauen haben große Sorgen. Manche sind regelrecht im Alltag behindert. Dazu kommt ein kleines Kind, dass versorgt werden will. Außerdem steht die bange Frage im Raum, was wird, wenn es nicht besser wird. Dadurch haben sehr viele nicht den Mut und nicht die Kraft, ihren Fall so zu verfolgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Oft bleibt es bei einem bloß schlichtenden Gespräch, bei der der Geschädigten mehrere Vertreter der Klinik gegenübersitzen, die sie auch noch einschüchtern. Wenn man weiß, dass die Krankenkassen den Fall verfolgen und der MDK die Dokumentation prüft, ist schon mal ein erster Schritt getan, der nicht viel Mühe erfordert und keine Kosten verursacht. Zudem kann es sein, dass dann die Krankenkassen endlich hellhörig werden und verstehen lernen, wie viele Kosten ihnen durch mütterliche Geburtsschäden auf Dauer entstehen.