Immer wieder heben Kritiker der hohen Kaiserschnittraten darauf ab, dass ein Kaiserschnitt mit einem höheren Risiko für bestimmte Erkrankungen, zum Beispiel Autoimmunerkrankungen, verbunden wäre. Dazu zählen zum Beispiel Diabtes-Typ-1 (also die Diabeteskrankheit, die durch Versagen der Bauchspeicheldrüse oft schon im Kindesalter entsteht), Multiple Sklerose, entzündliche Darmerkrankungen oder rheumatische Arthritis im Jugendalter. Das klingt natürlich bedrohlich für jene Mütter, deren Kind per Kaiserschnitt zur Welt gekommen ist. Aber es gibt – erneut muss man sagen – Entwarnung: Der Verdacht, eine Sectio könne das Risiko für solche Autoimmunkrankheiten des Babys erhöhen, bestätigt sich wieder einmal nicht. Er beruht auch nur auf einer bloßen Annahme, nämlich auf der Hypothese, das Immunsystem von Kaiserschnittkindern sei durch fehlenden Kontakt mit den Scheidenkeimen der Mutter beeinträchtigt. Denn sie seien eben nicht durch den Geburtskanal hindurch gekommen. Doch diese Hypothese ist nach wie vor umstritten.

Dass eine solche Annahme für Autoimmunerkrankungen nicht zutrifft, lässt nun eine große Längsschnittstudie aus Kanada erkennen. Längsschnittstudie heißt, man hat das Schicksal der Kinder über viele Jahre nach ihrer Geburt nachverfolgt. In diese aufwändige Studie sind die Daten von 934 873 Kindern, die zwischen 2006 und 2019 in kanadischen Geburtskliniken vaginal (73 %) oder per Kaiserschnitt (27 %) geboren wurden, eingeflossen (Follow-up: 7,4 Jahre). Komplizierte vaginale Geburten mit Saugglocke oder Zange waren sogar ausgeschlossen, da diese Geburtsverfahren eigene immunologische Risiken für die Kinder bergen.

Das Team um Nathalie Auger von der McGill University in Montreal/Quebec prüfte in einer Datenbank für alle Kliniken in Quebec, wie viele Kinder der beiden Kohorten (Vaginal oder Kaiserschnitt) bis Ende März 2020 jemals bis zum Alter von 14 Jahren wegen einer Autoimmunerkrankung eine stationäre Behandlung erhalten hatten. Ein Vergleich zwischen Sectio und natürlicher Geburt ergab für alle Autoimmunkrankheiten zusammen keinerlei Unterschied. Die Sectio war weder mit einem erhöhten Risiko für eine Einweisung wegen Typ-1-Diabetes, noch Zöliakie (das ist Glutenunverträglichkeit) oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen assoziiert, wie etwa die Auswertung für einzelne Diagnosen ergab.

Daher das eindeutige Resultat: Die Studie liefere nun Evidenz gegen die Annahme, Kaiserschnittkinder hätten eine gestörte Immunbalance oder Defizite in ihrem Immun/Abwehrsystem, da sie der vaginalen mütterlichen Flora nicht ausgesetzt waren. Dies schreiben die kanadischen Forscher als Resümee. Sie schlussfolgern, dass die bisher widersprüchlichen Befunde zu dieser Frage sich anders erklären lassen. Die könnten durch eine Vorbelastung der Kinder, durch eine Prädisposition, ihrer Eltern bedingt sein. So würde eine Autoimmunkrankheit der Mutter teilweise das Risiko für eine Sectio erhöhen, aber außerdem auch noch für eine solche Erkrankung beim Kind. Wird für derartig verzerrende Faktoren (Confounder) adjustiert – sprich deren verzerrender Einfluss herausgerechnet -, dann verschwindet etwa jeglicher Zusammenhang zwischen Typ-1-Diabetes und Kaiserschnitt. Dies gilt auch für andere Erkrankungen, etwa Allergien wie Asthma bronchiale.

Wir halten fest: Mütter, die ein Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht haben, müssen sich nicht sorgen, dass nun ihr Kind Gefahr läuft, eher als andere Kinder Autoimmunkrankheiten zu entwickeln.

Quellen:

  1. Soullane S, Henderson M, Kang H, et al.: Cesarean delivery and risk of hospitalisation for autoimmune disorders before 14 years of age. Eur J Pediatr 26. Mai 2021, DOI: 10.1007/s00431–021–04132-w.
  2. Lenzen-Schulte M: Studien im Fokus Geburtsmedizin: Kaiserschnitt erhöht das Risiko für Autoimmunerkrankungen doch nicht Dtsch Arztebl 2021; 118(24): A-1220 / B-1006