Abrisse des wichtigsten Beckenbodenmuskels der Frau, des Levator ani, müssen umso eher gefürchtet werden, je komplizierter eine natürliche Geburt verläuft. Während bei einer normalen Vaginalgeburt reißt der Muskel bei rund 15 % der Schwangeren ab, auch dies ist schon ein hohes Risiko. Aber diese statistisch erwartbare Rate steigert sich auf 21 % bei Saugglockengeburten. Kommt die Geburtszange zum Einsatz, dann müssen sogar mehr als die Hälfte der Schwangeren fürchten, dass ihr Levator abreißt, nämlich 52 %. Ein Kaiserschnitt wirkt hingegen protektiv, er schützt vor solchen Abrissen: Hier haben lediglich 1 % der Gebärenden eine derartige Verletzung zu fürchten. Das ist das Ergebnis einer ersten umfassenden Übersichtsarbeit zu dieser Frage, die jetzt in einem der führenden internationalen Journale für Geburtshilfe erschienen ist.

Ein Levator-ani-Trauma ist keine seltene Verletzung bei einer natürlichen Geburt und es spielt eine Hauptrolle bei der Entstehung von Organsenkungen. Reißt dieser Muskel einseitig oder beidseitig vorne am knöchernen Beckenring ab, so geht das mit einer Vervielfachung des Prolapsrisikos einer Frau einher und erhöht zudem die Rezidivgefahr nach einer Senkungsoperation. Das heißt, dass eine Frau nicht nur akut nach der Geburt Probleme haben muss. Im Laufe der Jahre wird ihr Beckenboden immer schwächer und irgendwann senken sich Organe wie Harnblase, die Gebärmutter oder der Darm nach unten und drücken in die Scheidenwand hinein. Bei einer Gebärmuttersenkung kann diese sogar ganz nach außen “fallen” und zwischen den Oberschenkeln sichtbar werden. Hat eine Frau bei einer Geburt einen Levatorabriss erlitten, so muss sie fürchten, dass es bei ihr im Laufe der Jahre früher und öfter als bei Frauen mit intaktem Levavator zu Organsenkungen kommt.

In der Mehrzahl der Fälle reißt der Muskel bei natürlichen Geburten einseitig und rechts an der Hinterseite der Schambeine neben der Symphyse – der Mitte des vorderen Beckenknochens – ab. dies wird als Avulsion bezeichnet. Denn genau hier vorne setzen die beiden Schenkel des Puborectalismuskels an. So heißt derjenige Anteil des Levatormuskels, der um den Enddarm herum eine Muskelschlinge bildet: Daher auch der Name Levator ani, was so viel heißt wie “Afterheber”. Ein Abriss kann teilweise oder komplett erfolgen, die Diagnose lässt sich einige Wochen nach der Geburt mittels Sonografie/Ultraschall stellen. Geübte Diagnostiker unter den Ärzten können einen Abriss aber auch ertasten. Aber viele Frauenärzte kennen diese Zusammenhänge nicht, haben mitunter noch nie davon gehört, sind jedenfalls oft nicht in der Lage, die Beschwerden der Frauen richtig zu deuten. Diese merken vage, dass ihr Beckenboden durchhängt, oder dass sie die frühere Festigkeit oder Stabilität vermissen. Vor allem aber bemerken sie, dass die Rückbildung nichts bringt, dass das Training der Beckenbodenmuskeln nicht wirklich Erfolg hat – wie auch, der Muskel ist abgerissen und kann nicht trainiert werden. Allenfalls erzeugt man mit falschem Training ein Ungleichgewicht im Beckenboden, der eine Muskelzug wird ganz stark, der andere bleibt schwach und ohne Verbindung zu seinem Widerlager.

Da es bislang keine verlässlichen Operationen gibt, mit deren Hilfe man den Muskel wieder ans Schambein annähen könnte, ist aufgrund der Verletzung der hängemattenartigen Aufhängung die Stabilität des Beckenbodens empfindlich gestört. Fazit: Erstmals liegen quantifiziert Daten zur Levator Avulsion von 5 594 Frauen aus 37 Studien und 17 Ländern zur Beratung von Schwangeren über ihre Geburtsrisiken vor. Ultraschall oder Magnetresonanztomografie erwiesen sich dabei als gleichwertige Diagnoseverfahren. Vor allem die Tatsache, dass jede fünfte oder sogar jede zweite Schwangere bei einer instrumentellen Geburt (also mit Saugglocke oder Zange) mit einer Avulsion rechnen muss, sollte künftig in die Aufklärung der Schwangeren einfließen. Ebenso spielt die Tatsache eine Rolle, dass das Risiko der Levator-Avulsion insgesamt bei vaginalen Geburten 10–11-mal so hoch ist wie nach einem Kaiserschnitt.

Quellen:

  1. Lenzen-Schulte M: Geburtshilfe: Levator ani Avulsion – je schwieriger die Geburt, desto höher das Risiko
    Dtsch Arztebl 2021; 118(33-34): A-1523 / B-1264
  2. Rusavy Z, Paymova L, Kozerovsky M, et al.: Levator ani avulsion: a Systematic evidence review (LASER). BJOG 10. Juli 2021. doi: 10.1111/1471–0528.16837.