Wie oft höre ich von Betroffenen, dass ihnen die Frauenärztin, der Frauenarzt nicht glaubt. Wie oft höre ich, dass sie “nichts finden können”, was zu den Beschwerden passt. Der Reflex, der dann folgt ist: Misstrauen und Zweifel auf Seiten der Ärztin/des Arztes, ob denn die Beschwerden wirklich so sind, wie beschrieben, Rechtfertigungsdruck auf Seiten der Patientin, die spürt, dass man sie nicht ernst nimmt. Als wäre das nicht per se schlimm genug, kann dies Selbstzweifel hervorrufen. Die Frauen fragen sich dann: “Übertreibe ich vielleicht?”, oder “Sollte ich damit besser klar kommen, es scheint ja weniger schlimm zu sein, wenn man nichts sieht?” oder ähnliche Gedanken. Das hält dann wiederum etliche von ihnen davon ab, nachzubohren, auf weiterer Diagnostik zu bestehen, sich zu kenntnisreicheren Experten überweisen zu lassen. Dabei könnte es so einfach sein, würden nur mehr Gynäkologen und Gynäkologinnen den 3-D-Ultraschall am Beckenboden beherrschen und einsetzen. Denn: Ein solcher Ultraschall entdeckt nach einer Geburt selbst diskrete Veränderungen am Beckenboden, wenn Frauen über Urin- oder Analinkontinenz oder über Beeinträchtigungen beim Sex klagen. Solche Veränderungen können bei bloßen Blickdiagnosen übersehen werden, auch bei der körperlichen Untersuchung. Dies ist das Resultat einer Studie des brasilianischen Teams um die Urogynäkologin Monica Grinbaum von der Universitätsfrauenklinik in Sao Paulo.

Längst nicht alle Patientinnen mit Symptomen einer Harninkontinenz vertrauen sich einer Ärztin oder einem Arzt an. Oft bleiben in der Praxis milde Symptome unerwähnt und geringgradige Defekte unentdeckt. Wenn sie es tun, sollte man/frau dies ernst nehmen. Ebenso ist die Angabe, man könne die Darmluft oder gar festen Darminhalt nicht willkürlich zurückhalten, immer abzuklären. Und – das habe ich hier im Blog schon oft erwähnt und belegt – meist schlagen sich Beckenbodenschäden dieser Art auch darin nieder, dass das intime Zusammensein mit dem Partner beeinträchtigt ist. Außerdem kann eine schwere Geburt, die den Analkanal schädigt und das Gewebe so überdehnt, dass eine Harninkontinenz entsteht, auch die Scheide so weiten, dass schon dadurch der Sex schlechter wird.

Der 3-D-Ultraschall diagnostiziert verlässlich krankhafte Veränderungen des Gewebes im Bereich von Harnblase, Scheide und am Darmausgang. Um herauszufinden, welchen Effekt verschiedene Geburtsmodalitäten auf die Öffnung des Beckenbodens (man bezeichnet das als den Hiatus des Levator ani-Muskels) und auf Inkontinenz und Sexualleben haben, wurden 203 Frauen im Alter von 20–50 Jahren mittels 3-D-Ultraschall untersucht. 59 hatten kein Kind geboren, 80 hatten vaginal entbunden, bei 18 war die Geburtszange eingesetzt worden und 48 hatten einen Kaiserschnitt oder Bauchgeburt. Die 3-D-Befunde am Beckenboden wurden mindestens ein Jahr nach der Geburt erhoben und mit Fragebogenantworten abgeglichen. Als Messlatte galt der transverse / quere Durchmesser des Hiatus – je größer dieser ist, desto schwächer der Beckenboden.

Obwohl die Frauen zunächst nicht wegen ihrer Beschwerden einen Arzt aufgesucht hatten, wiesen doch 35 % eine Harn- und 28 % eine Flatus(Wind)-Inkontinenz auf, 46,3 % beklagten sexuelle Funktionsstörungen. Je weiter der genitale Hiatus auseinander klaffte, desto stärker waren die Beschwerden. Nach vaginaler Geburt oder nach Zangengeburt gab es statistisch messbar häufiger Symptome, auch der Hiatus war dann deutlich größer als bei Kaiserschnittmüttern oder den Frauen, die noch kein Kind geboren hatten.

Fazit: Nach vaginalen Entbindungen und Zangengeburten würden viel häufiger Inkontinenzsymptome und sexuelle Störungen auftreten als vermutet und entdeckt würden, schreiben die Autoren dieser Studie. Die betroffenen Frauen würden oft nicht darüber klagen, weil sie es für normal hielten, nach Geburten zum Beispiel harninkontinent zu sein. Der 3-D-Ultraschall könnte daher dabei helfen, Symptome zu enttarnen, die die Lebensqualität der Frauen beeinträchtigen. Es lässt sich auch anders formulieren: Womöglich haben Ärztinnen und Ärzte eher Unrecht, wenn sie Beckenbodenbeschwerden von Frauen nach Geburten als irrelevant abtun, wenn sie nichts sehen oder nichts tasten. Wären sie fähig, den Ultraschall zu Hilfe zu nehmen, dann würden sie die krankhaften Veränderungen erkennen. Betroffene Frauen sollten sich daher nicht abspeisen lassen mit: “Ich finde da nichts”.

Quelle: Grinbaum ML, et al.: Impact of parity and delivery mode on pelvic floor function in young women: a 3D ultrasound evaluation. Int Urogynecol J 13. Februar 2023. DOI: 10.1007/s00192–022–05440-x.