von Martina Lenzen-Schulte | Mai 30, 2022
Im letzten Blog konnte ich anhand eines umfassenden Artikels zum Beckenbodenschutz von führenden deutschsprachigen Urogynäkologinnen und Urogynäkologen nachweisen, dass das Thema Dammschutz in deutschen Kreißsälen nicht ernst genommen wird. Eine der wenigen Maßnahmen, die nachweislich helfen – warme Kompressen – werden kaum angewendet. Das ist umso sträflicher, als es wenig anderes gibt, was Hebammen und ärztliche Geburtshelfer und -helferinnen tun können, um den Damm zu schützen. Dammschutz wird vollmundig in den Geburtsvorbereitungskursen oder an Tagen der offenen Tür in Geburtskliniken versprochen. Dass die Wissenschaft zahlreichen Maßnahmen bescheinigt, nicht zu wirken, kommt bei den oft beschwichtigenden Veranstaltungen nicht zur Sprache. In diesem Blog gibt es bereits einen Beitrag zum äußerst fraglichen Nutzen des Epi-No®-Beckenbodentrainers. Schon 2016 wussten Leserinnen dieses Blogs, dass sie sich nicht darauf verlassen sollten, vor der Geburt damit die Scheide zur Unzeit auf zu dehnen. Die jüngste Bestandsaufnahme bestätigt dies: der Epi-No® verringert nicht die Zahl der Schließmuskelverletzungen am Darmausgang, nicht die Anzahl der Dammschnitte und nicht die Dauer der Austreibungsperiode, um die wichtigsten Kriterien zu nennen. Aber wir erfahren im Artikel noch viel mehr. (mehr …)
von Martina Lenzen-Schulte | Apr 5, 2022
Es ist mehr als verwunderlich, dass Expertinnen und Experten für Beckenbodenschäden erstaunlich hohe Raten an Inkontinenz und Organvorfall nach Geburten in Fachzeitschriften berichten, allerdings viele Betroffene den Eindruck haben, ihre eigenen Frauenärztinnen und Frauenärzte wären auf diesem Auge blind. Hat sich all das tatsächlich in der “Szene” noch nicht herumgesprochen? Ein jüngstes Beispiel: In einer Fachzeitschrift für Geburtshilfe steht es in einem Artikel mit dem Titel: “Aspekte einer Beckenbodenprotektion bei der Spontangeburt – eine Übersicht” schwarz auf weiß und für jeden offen zugänglich: 15% bis 31% der Frauen sind 6 Monate nach der Geburt stressinkontinent, verlieren beim Lachen, Niesen, Springen Urin, 8% sind stuhlinkontinent – etwa jede zwölfte Frau verliert unwillkürlich Stuhl (!) – und zum Prolaps, zum Hinabsinken der Gebärmutter machen sie keine Angaben, auch nicht zur Zahl der Levatormuskelabrisse. Aber eigentlich genügt das ja auch schon. Es muss unterstellt werden, dass einer Stuhlinkontinenz einen Riss in dem äußeren oder inneren Schließmuskel vorausgeht, sonst wird eine Frau in jungen Jahren oder in der Mitte ihres Lebens nicht einfach stuhlinkontinent. Stressinkontinenz nach der Geburt kommt auch nicht von alleine. Mithin haben all diese Frauen erhebliche Geburtsverletzungen, Überdehnungen, Nervenschäden … unter der Geburt erlitten. Wer bestreitet noch, dass das zu viele sind. (mehr …)
von Martina Lenzen-Schulte | Feb 22, 2022
Wir nehmen gerade an einem der wichtigsten geburtsmedizinischen Meilensteine teil, der in die Geschichte eingehen wird: England verabschiedet sich von der lange gültigen Vorstellung, nur eine niedrige Kaiserschnittrate sei eine gute Kaiserschnittrate. Ein Land, das wie kein anderes über viele Jahre zum Schaden der Kinder und Mütter die Geburtsphilosophie von den Advokaten einer natürlichen Geburt “um jeden Preis” bestimmen ließ, sieht eine möglichst hohe Zahl natürlicher Geburten ab sofort nicht mehr als erstrebenswertes Ziel an. Mütter sollen fortan nicht befürchten müssen, zu einer natürlichen Geburt überredet oder gar gedrängt zu werden, wenn sie mit zu hohen Risiken für sich und ihr Ungeborenes in den Kreißsaal kommen. Entscheidend soll vielmehr sein, dass das Kind und seine Mutter am Ende des Tages gesund und unversehrt sind – was Leserinnen und Leser dieses Blogs im übrigen schon lange lesen konnten. Wir müssen uns den Februar 2022 als eine Kehrtwende im Kalender markieren. Medizinhistoriker werden künftige Müttergenerationen darüber belehren, welche Kehrtwende hier vorgenommen worden ist. Was ist geschehen?
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von Martina Lenzen-Schulte | Jan 21, 2022
Eigentlich sollte eine Frau, die eine anspruchsvolle Ausbildung in einem der wichtigsten Gesundheitsberufe – Physiotherapie – absolviert hat, gewappnet sein, wenn so ein wichtiges Ereignis wie eine Geburt ansteht. Eigentlich müsste „frau“ dann in ihrer Ausbildungszeit etwas über die Geburt, ihre Risiken und ihre Spätfolgen gelernt haben. Von wegen: Ich bin Physiotherapeutin und ich hatte keine Ahnung! So saß ich ungläubig und abwesend den Urogynäkologinnen und Urogynäkologen gegenüber, als diese mir meine Diagnose verkündeten: Gebärmutter- sowie Blasensenkung! Ich bin 33 Jahre alt, ich habe einen Beruf, der mich körperlich fordert, ich weiß, wie wichtig physische Fitness und ein funktionierender Muskel- und Bindegewebsapparat sind. Und jetzt weiß ich, dass zentrale Stellen meines Körpers schon eine Schwäche aufweisen, die nur mit großer Disziplin in den Griff zu kriegen ist.
Wie es dazu kam:
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von Martina Lenzen-Schulte | Aug 29, 2021
Abrisse des wichtigsten Beckenbodenmuskels der Frau, des Levator ani, müssen umso eher gefürchtet werden, je komplizierter eine natürliche Geburt verläuft. Während bei einer normalen Vaginalgeburt reißt der Muskel bei rund 15 % der Schwangeren ab, auch dies ist schon ein hohes Risiko. Aber diese statistisch erwartbare Rate steigert sich auf 21 % bei Saugglockengeburten. Kommt die Geburtszange zum Einsatz, dann müssen sogar mehr als die Hälfte der Schwangeren fürchten, dass ihr Levator abreißt, nämlich 52 %. Ein Kaiserschnitt wirkt hingegen protektiv, er schützt vor solchen Abrissen: Hier haben lediglich 1 % der Gebärenden eine derartige Verletzung zu fürchten. Das ist das Ergebnis einer ersten umfassenden Übersichtsarbeit zu dieser Frage, die jetzt in einem der führenden internationalen Journale für Geburtshilfe erschienen ist.
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