Dialog mit einer Physiotherapeutin über den Beckenboden

Beckenbodenphysiotherapeutinnen sind oft näher an den Problemen und Sorgen der vielen Mütter nach Geburten dran als Frauenärzte und Frauenärztinnen. Sie sehen diese Patientinnen und arbeiten mit ihnen, sie wundern sich selbst oft, wie wenig mancher Frauenarzt, manche Frauenärztin über die Verletzungen des Beckenbodens Bescheid wissen und ihre Patientinnen vertrösten, beschwichtigen, abwiegeln – ja, nicht einmal gute Ratschläge in punkto weiterführende Diagnostik geben können. So manche Patientin erfährt leider erst in der Physiotherapie, dass sie wegen ihrer Stuhlinkontinenz und zur Untersuchung der Schließmuskeln besser einen Proktologen aufsuchen sollte. Dies und vieles mehr bespreche ich mit Sabrina Nieland, Physiotherapeutin und Heilpraktikerin in Hamburg, in diesem Interview über die Themen meines Buches (Danke an Sabrina für diese Plattform und den informativen Austausch!). Ich freue mich einerseits, dass sie aus ihrer physiotherapeutischen Erfahrung so vieles aus der Praxis bestätigt, das ich in meinem Buch aufgrund meiner Recherche darstelle. Andererseits macht es einen traurig, dass auch von dieser Berufsgruppe bestätigt wird, wie schlecht es den Frauen mit ihren Beckenbodenschäden nach der Geburt geht. Und dass sie leider ebenfalls beobachten, dass sogar bei Verdachtsmomenten auf erhebliche Geburtsrisiken nicht besser aufgeklärt wird. Daher ist es wichtig, über jedwedes Medium dieses Wissen zu teilen: https://www.instagram.com/tv/CkrCJHsKRFN/?utm_source=ig_web_copy_link 

In eigener Sache: “Untenrum offen” erschienen

Danke für alles Feedback zum Buch. Ich leite aus einem der Kommentare auf Amazon ab, dass die Mission wenigstens zur Hälfte erfüllt ist: Wenn man nach der Geburt merkt, dass etwas nicht stimmt… Sollte man dieses Buch lesen. Es erspart das wochenlange herumgoogeln. Man erhält die wichtigsten Informationen gebündelt und vor allem gut recherchiert und realistisch dargestellt. Es wird auf blumige Umschreibungen wie in anderen Medien verzichtet, die Dinge werden beim Namen genannt. Man wird bestärkt sich wirklich qualifizierte Hilfe zu suchen. So war es gedacht. Aber das allein genügt nicht. Oder? Mich hat ein Satz aus einer Social Media Gruppe zutiefst bewegt, den ich hier zitieren darf: 

“Ich kann euch nur sagen, dass ich heute weinend vor meinem Mann stand weil ich das erste Mal seit 1,5 Jahren nicht bei jedem Schritt meinen Gebärmutterhals und meine Blase in mir gespürt habe und nicht mehr das Gefühl habe ich falle nach unten auseinander und alles purzelt aus mir raus. Also ja, für heute war es die richtige Entscheidung 🙂.”

Freundlicherweise hat mir die Betroffene erlaubt, ihn hier auf meiner Seite zu zitieren. Ich empfinde es als zutiefst verstörend, dass es solche Frauenschicksale gibt. Keine Frau sollte das eineinhalb Jahre ertragen müssen, das Gefühl haben, sie falle nach unten auseinander und alles purzele heraus. 

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Den Beckenboden schützen ist leichter gesagt, als getan

Im letzten Blog konnte ich anhand eines umfassenden Artikels zum Beckenbodenschutz von führenden deutschsprachigen Urogynäkologinnen und Urogynäkologen nachweisen, dass das Thema Dammschutz in deutschen Kreißsälen nicht ernst genommen wird. Eine der wenigen Maßnahmen, die nachweislich helfen – warme Kompressen – werden kaum angewendet. Das ist umso sträflicher, als es wenig anderes gibt, was Hebammen und ärztliche Geburtshelfer und -helferinnen tun können, um den Damm zu schützen. Dammschutz wird vollmundig in den Geburtsvorbereitungskursen oder an Tagen der offenen Tür in Geburtskliniken versprochen. Dass die Wissenschaft zahlreichen Maßnahmen bescheinigt, nicht zu wirken, kommt bei den oft beschwichtigenden Veranstaltungen nicht zur Sprache. In diesem Blog gibt es bereits einen Beitrag zum äußerst fraglichen Nutzen des Epi-No®-Beckenbodentrainers. Schon 2016 wussten Leserinnen dieses Blogs, dass sie sich nicht darauf verlassen sollten, vor der Geburt damit die Scheide zur Unzeit auf zu dehnen. Die jüngste Bestandsaufnahme bestätigt dies: der Epi-No® verringert nicht die Zahl der Schließmuskelverletzungen am Darmausgang, nicht die Anzahl der Dammschnitte und nicht die Dauer der Austreibungsperiode, um die wichtigsten Kriterien zu nennen. Aber wir erfahren im Artikel noch viel mehr. (mehr …)

Dammschutz durch Hebammen: Was wirklich hilft, wird ignoriert

Es ist mehr als verwunderlich, dass Expertinnen und Experten für Beckenbodenschäden erstaunlich hohe Raten an Inkontinenz und Organvorfall nach Geburten in Fachzeitschriften berichten, allerdings viele Betroffene den Eindruck haben, ihre eigenen Frauenärztinnen und Frauenärzte wären auf diesem Auge blind. Hat sich all das tatsächlich in der “Szene” noch nicht herumgesprochen? Ein jüngstes Beispiel: In einer Fachzeitschrift für Geburtshilfe steht es in einem Artikel mit dem Titel: “Aspekte einer Beckenbodenprotektion bei der Spontangeburt – eine Übersicht” schwarz auf weiß und für jeden offen zugänglich: 15% bis 31% der Frauen sind 6 Monate nach der Geburt stressinkontinent, verlieren beim Lachen, Niesen, Springen Urin, 8% sind stuhlinkontinent – etwa jede zwölfte Frau verliert unwillkürlich Stuhl (!) – und zum Prolaps, zum Hinabsinken der Gebärmutter machen sie keine Angaben, auch nicht zur Zahl der Levatormuskelabrisse. Aber eigentlich genügt das ja auch schon. Es muss unterstellt werden, dass einer Stuhlinkontinenz einen Riss in dem äußeren oder inneren Schließmuskel vorausgeht, sonst wird eine Frau in jungen Jahren oder in der Mitte ihres Lebens nicht einfach stuhlinkontinent. Stressinkontinenz nach der Geburt kommt auch nicht von alleine. Mithin haben all diese Frauen erhebliche Geburtsverletzungen, Überdehnungen, Nervenschäden … unter der Geburt erlitten. Wer bestreitet noch, dass das zu viele sind. (mehr …)

Ein Dogma fällt: In England gibt es keine Obergrenze mehr für Kaiserschnitte

Wir nehmen gerade an einem der wichtigsten geburtsmedizinischen Meilensteine teil, der in die Geschichte eingehen wird: England verabschiedet sich von der lange gültigen Vorstellung, nur eine niedrige Kaiserschnittrate sei eine gute Kaiserschnittrate. Ein Land, das wie kein anderes über viele Jahre zum Schaden der Kinder und Mütter die Geburtsphilosophie von den Advokaten einer natürlichen Geburt “um jeden Preis” bestimmen ließ, sieht eine möglichst hohe Zahl natürlicher Geburten ab sofort nicht mehr als erstrebenswertes Ziel an. Mütter sollen fortan nicht befürchten müssen, zu einer natürlichen Geburt überredet oder gar gedrängt zu werden, wenn sie mit zu hohen Risiken für sich und ihr Ungeborenes in den Kreißsaal kommen. Entscheidend soll vielmehr sein, dass das Kind und seine Mutter am Ende des Tages gesund und unversehrt sind – was Leserinnen und Leser dieses Blogs im übrigen schon lange lesen konnten. Wir müssen uns den Februar 2022 als eine Kehrtwende im Kalender markieren. Medizinhistoriker werden künftige Müttergenerationen darüber belehren, welche Kehrtwende hier vorgenommen worden ist. Was ist geschehen?

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