Buchcover Untenrum offen von Dr. med. Martina Lenzen Schulte

Was bewegt eine Medizinjournalistin dazu, ein Buch über Beckenbodenschäden nach einer Geburt zu schreiben? Frauen, die Beckenbodenschäden nach einer Geburt erlitten haben. Frauen, die nicht wussten, dass es überhaupt Beckenbodenschäden nach Geburten geben kann. Frauen, die niemand darüber aufgeklärt hat, was es bedeutet, wenn plötzlich nach der Geburt das eigene Leben völlig anders verläuft.

Ich las – das brachte meine Arbeit und mein Interesse für die Geburtsmedizin mit sich – schon immer viele medizinische Studien zu Geburtsrisiken. Ich wusste, wie hoch die Rate der Inkontinenzen zu beziffern ist, ich konnte die Risikofaktoren einordnen, mir war klar, was die Urogynäkologie an Therapien anbietet – alles, was das rein medizinisch Fachliche am Thema betrifft, war mir bekannt. Was mir jedoch nicht bewusst war, war die Bedeutung dieser Diagnosen für ein Frauenleben. Das haben mich erst die Gespräche mit Patientinnen gelehrt.

Ich weiß nicht, ob ich sagen darf, ich habe wirklich begriffen, was es heißt, mit einem Beckenbodenschaden zu leben. Ich weiß jetzt aber zumindest, dass dahinter so viel mehr steckt, als die dürren Worte Urininkontinenz, Stuhlinkontinenz und Gebärmuttervorfall ahnen lassen. Ich weiss ausserdem, dass zu vieles von Ärztinnen, Ärzten und Hebammen schöngeredet wird. Ich weiss schliesslich, dass alle miteinander um das heikle Thema Sexualität herumeiern – nur erst in Ansätzen macht sich die Geburtshilfe Gedanken dazu, dass hier nicht nur Ausscheidungsfunktionen betroffen sind, dass der Beckenboden nicht nur die Organe sinken lässt, sondern dass da gleichzeitig eine große erogene Zone mitverletzt worden ist.

Seit mir das klar geworden ist, hat es mich umgetrieben. Wir wissen so viel darüber, wie wir den Beckenboden bei einer Geburt schützen können. Es wird aber nicht umgesetzt. Wir wissen, welche Schwangeren besonders gefährdet sind, massive Verletzungen davon zu tragen. Sie werden aber nicht gewarnt. Es gibt frühe Hilfen und Therapien, aber die Patientinnen werden lange vertröstet und müssen sich oft selbst ein Beckenbodenzentrum suchen.
Darum geht es in diesem Buch. Ich halte Tipps bereit und Vorwürfe, denn es muss sich etwas ändern. Es darf nicht sein, dass Frauen weiter so beschädigt werden, wenn es verhindert werden könnte. Frauen sollen Frauen bleiben dürfen, wenn sie Mütter geworden sind.