Der Levator-Abriss kommt bei natürlicher Geburt häufig vor und ist eine Hypothek für ein Frauenleben

Vor kurzem hat der international renommierte Beckenbodenforscher, Frauenarzt und Urogynäkologe John O. L. DeLancey mit seiner Pelvic Floor Research Arbeitsgruppe an der Michigan Universität in Ann Arbor eine sehr wichtige wissenschaftliche Übersicht über Beckenboden-Verletzungen unter vaginalen Geburten und ihre gravierenden Nachwirkungen für ein Frauenleben publiziert (1). Es geht vor allem um Levator-Avulsionen.  Der M. Levator ani stellt mit seinen drei Hauptanteilen – M. pubococcygeus, M. puborectalis und M. ileococcygeus – die wichtigste muskuläre Haltestruktur des Beckenbodens dar (Abb.). Er spannt sich gleichsam wie eine Hängematte von der Hinterseite der Schambeine bis zum Steißbein.

Bild mit Levator aniQuelle: DeLancey: Die Dehnung der Anteile des Levator ani unter der Geburt. Der Levatormuskel besteht aus mehreren Teilen, die hier in englischer Sprache bezeichnet sind. Man sieht auch schön den äußeren Schließmuskel, der den Darm abdichtet (external anal sphincter) Das Stück vom Anus bis nach oben zur Scheide, wo der Babykopf austritt, ist der Damm, der bei der Geburt ganz oder teilweise einreißen kann, zusätzlich kann der äußere (und seltener auch der hier nicht sichtbare innere) Darmschließmuskel reißen.

Als Levatoravulsion oder -teilavulsion bezeichnet man den vollständigen oder unvollständigen Abriss auf einer Seite rechts oder links neben der Innenseite der Symphyse, dort wo die beiden Schambeine am Beckenring zusammentreffen. Entscheidend ist, dass Frauen mit Levator-Avulsionen ein vierfach höheres Risiko haben, dass ihre Beckenorgane sich senken, sie also mit einem Gebärmuttervorfall, einer Blasensenkung oder einer Darmsenkung zu kämpfen haben. Operationen, die das wieder beheben sollen, scheitern zwei-bis zweieinhalbfach öfter, wenn der Levator abgerissen ist. Warum Frauenärzte sich damit befassen sollen, habe ich in einem aktuellen Artikel in der deutschen Fachzeitschrift “Frauenarzt” erläutert (2).

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Beckenbodenmuskeln unter der Geburt: Reißt der Levator ani, leidet der Sex

Sex nach natürlichen Geburten ist ein heikles Thema. Die Kaiserschnittgegner zitieren immer wieder Studien, nach denen es in Bezug auf den Sex keinen Unterschied mache, ob eine Frau per Kaiserschnitt oder natürlich entbunden habe – es gäbe Frauen die klagten, andere nicht, aber es liege nicht am Geburtsmodus, wenn etwas nicht stimme. Ob sie das selbst glauben, muss bezweifelt werden, denn als Befürworter einer natürlichen Geburt betonen solche Experten ansonsten gern, dass die zweite und dritte (natürliche) Geburt stets leichter sei, weil ja “alles so schön vorgedehnt ist”. Sex ist zudem nicht nur eine Frage der gedehnten Scheide. Wie gut kann er denn noch sein, wenn “frau” Urin dabei verliert, wenn sie sich vorher entleeren muss, sie die Winde nicht mehr halten kann oder ihr Partner beim Verkehr buchstäblich an die herabsinkende Gebärmutter stößt – also angesichts von Inkontinenz und Prolaps. Dies alles überhaupt so drastisch und realistisch auszusprechen, ist schon ein Tabubruch. Dass Geburtsrisiken immer noch unter den Tisch gekehrt werden, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass Betroffene gerade solcher Probleme wegen sich kaum trauen, mit dem Frauenarzt offen über ihre Verletzungen zu sprechen.

Dennoch muss darüber gesprochen werden, denn es gibt auch immer mehr Erkenntnisse darüber. Eine neue wissenschaftliche Studien stellt zum Beispiel die Frage: Welchen Einfluss hat es auf das Sexleben, wenn unter der Geburt ein Muskel reißt – der wichtigste Muskel des Beckenbodens, der Levator ani? Wer als Frau eine solche Avulsion erleidet, muss damit rechnen, ein weniger erfülltes Sexualleben zu haben als Frauen, bei denen der Muskel intakt geblieben ist. (mehr …)