Levator-Abriss: Wenn ein Arzt seine eigene Ignoranz offenbart

Heute möchte ich meinem Entsetzen Ausdruck verleihen. Meinem Entsetzen darüber, was Geburtshelfende immer noch nicht wissen. Entweder weil sie sich nicht fortbilden, oder weil sie so schwer von Begriff sind oder weil sie sich weigern, es zur Kenntnis zu nehmen. Schwer zu sagen, was schlimmer wäre. Wer diesen Blog liest, weiß längst, was der Levator ist und was er für ein Frauenleben bedeutet. Auf dem letzten Kongress für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Mitte Oktober 2024 stattfand, gab es eine ganze Sitzung eigens über den Levator-Muskel – darüber gibt es einen Bericht im Deutschen Ärzteblatt, frei im Netz, für jeden, jede zugänglich (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/155152/Wenn-der-wichtigste-Beckenbodenmuskel-bei-der-Geburt-reisst). Die Sitzung zeigte, dass sehr viele Frauen bei vaginalen Geburten gefährdet sind, eine Levator-Avulsion, einen Abriss des Muskels, zu erleiden, dass man ihnen kaum Therapien anbieten kann und dass sie folglich ein Leben lang damit klar kommen müssen, eine wichtige Stütze im Beckenboden verloren zu haben. Es gibt gefühlt zig Fachartikel, die für Frauenärzte und Frauenärztinnen in Fachzeitschriften zu diesem Thema veröffentlicht worden sind. Und doch erhält eine Patientin, die nach einer vaginalen Geburt massive Beschwerden hat, die in ihre Geburtsklinik zurückgeht, weil sie Rat sucht und fragt, ob es sich bei ihr um einen Levator-Abriss handeln könne, folgenden Satz als Antwort: “Der kann doch gar nicht abreißen”. Mein erster Gedanke, als ich das hörte, war: “Der dürfte doch gar nicht in der Geburtshilfe arbeiten”. Als Arzt zu sagen, der Levator könne nicht reißen, ist etwa so dumm, falsch und ignorant, wie als Elektriker zu sagen, man könne vom Strom keinen Stromschlag bekommen. Soviel als Begründung, warum ich entsetzt bin. 

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Eine Petition in Sachen Aufklärung über Geburtsrisiken für mündige Frauen

Die britische Schauspielerin Keira Knightley hat unlängst über ihre Geburt gesagt „Meine Vagina ist aufgebrochen“ und mit drastischen Bildern die Beschönigung des Ablaufs einer natürlichen Entbindung kritisiert. Zahlreiche Frauenärzte fordern schon länger, dass mündige Frauen vor einer Geburt eine umfassende Aufklärung über die damit verbundenen Risiken ebenso verdienen wie vor einem Kaiserschnitt. In einem aktuellen Beitrag  im Deutschen Ärzteblatt lasse ich die weltweit führenden Experten zu Wort kommen, die in Sachen Beckenbodenschäden Pionierarbeit geleistet haben. Anlass dafür war die Tatsache, dass eine der Patientinnen, die sich über diesen Blog an mich wandte, bis zum Petitionsausschuss ging, um mehr Aufklärung zu fordern.

Der Artikel benennt in einem Deutschen Fachblatt erstmals sehr ausführlich die Beckenbodenschäden, die bei einer natürlichen Geburt drohen. Gleichzeitig geht es darum, aufzuzeigen, wer besonders gefährdet ist und was man dagegen tun kann. Insofern eignet sich dieser Text (Link: Besser als bisher über Risiken vaginaler Geburten aufklären) auch für alle Frauen, die genauer beim Geburtsvorbereitungsgespräch nachfragen und sich informieren wollen. Sie können ihn nutzen, um ihre Hebamme und ihren Arzt um Aufklärung zu bitten, da es ein offizielles Dokument aus einer Fachzeitschrift darstellt. Die angegebenen Studien stellen genügend Belege zur Verfügung, so dass die Befürchtungen nicht einfach wegdiskutiert werden können. Eine Warnung muss jedoch sein: Die Bilder könnten u.U. ein wenig schockierend werken, da auch ein Vorfall der Beckenbodenorgane darin zu sehen ist. Wer hier empfindsam ist, sollte das bedenken. Ich fasse im folgenden kurz die wichtigsten Aussagen zusammen.  (mehr …)