In England schreibt man darüber und gibt es zu: Frauenärztinnen bevorzugen den Kaiserschnitt


“Was du nicht willst, dass dir geschicht, das tu auch keinem andern nicht” – so geht ein alter ethischer Leitspruch und es ist eigentlich immer eine Probe aufs Exempel bei Ärztinnen und Ärzten, wenn man schaut, was sie selbst machen oder was sie für ihre Liebsten bevorzugen. So habe ich vor vielen Jahren schnell verstanden, dass Augenlasern wegen Kurzsichtigkeit keine gute Idee ist, als offenbar wurde, wie selten die in der Ophthalmologie Tätigen das wegen der Komplikationen an sich selbst machen ließen. Was soll man also davon halten, wenn die gynäkologische Fachwelt in den öffentlichen Medien und auf Medizinkongressen den Kaiserschnitt nach wie vor als “second best” darstellen und davon abraten, wenn sie bei Umfragen theoretisch damit antworten, sie bevorzugten auch für sich selbst eine natürliche Geburt, aber die Fakten das nicht hergeben: “We know the reality of childbirth” – so ist ein Artikel in der renommierten Zeitung “The Guardian” überschrieben – und darin wird die Frage gestellt: “Was wissen sie, was wir nicht wissen?”.

Ich bin zufällig beim Recherchieren auf diesen Text gestoßen. Er ist schon älter, dennoch möchte ich darauf aufmerksam machen, weil es kaum so eindeutige und ehrliche Auskünfte darüber gibt, was die gynäkologische Zunft propagiert und Frauen rät, woran sie sich aber selbst oft nicht hält. Es ist ein Zeitungsartikel, in dem befragte Frauenärztinnen offen darüber sprechen, woher diese Diskrepanz kommt: Sie fürchten sich vor Beckenbodenschäden und sie wünschen sich größtmögliche Sicherheit für ihr Baby. Wer nach wissenschaftlicher Bestätigung fahndet, wird ebenfalls fündig und erfährt: Fachleute, die sich mit Geburten auskennen, halten sich nicht an ihre eigenen Ratschläge, wenn es um die Frage Kaiserschnitt oder natürliche Geburt geht. Das ist wichtig zu wissen, wenn man in Zeitungs- oder Zeitschriftenartikeln oder in Fernsehbeiträgen die Empfehlungen so mancher “Expertin” liest oder hört. Wenn es dort etwa heißt, die natürliche Geburt sei das Beste für das Kind, dann müsste man fragen, warum dann überdurchschnittlich viele Ärztinnen sich dennoch nicht dafür entscheiden.

Nicht zuletzt: Ich spreche regelmäßig mit von Beckenbodenschäden betroffenen Frauen und diese sprechen mit Ärztinnen und Gynäkologinnen. Die Opfer aus dem Kreißsaal stellen denen immer öfter die Frage, wie Frau Dr. denn ihre Kinder zur Welt gebracht habe. Es kommt vor, dass die Ärztin nach den Beckenbodenschaden ihrer Patientin tastet und währenddessen bekennt, dass sie per Kaiserschnitt entbunden hat. Die Frauen berichten mir, dass sie sich in solchen Situationen betrogen fühlen und sind zu Recht empört: Zu dem Schaden kommt die Erkenntnis, dass die eigene Ärztin es besser wusste und anders entschieden hat.

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SECTIO-ROT: Eine Fachfrau erklärt, was es mit einem Notkaiserschnitt auf sich hat

Erfahrungen aus der Praxis sind unbezahlbar. Ich danke Mareike Harder ausdrücklich, dass ich Ihren Beitrag hier teilen darf. Ich habe das zuerst auf “Die Risiken der vaginalen Geburt” auf Facebook gelesen und war ungemein beeindruckt. Aber Achtung Triggerwarnung, das ist zum Teil vielleicht nicht für jede Frau und nicht für jede Schwangere eine einfache Lektüre. Dennoch, wer wirklich informiert sein will, sollte sich das antun (vielleicht erst von jemand anderem lesen und dann berichten lassen).
Alle Frauen, die wegen Beckenbodenschäden keine weitere natürliche Geburt mehr wagen sollten, oder die wegen eindeutiger Risikofaktoren an einen Plan B denken, oder all jene, die sich aus anderen Gründen für einen Kaiserschnitt entschieden haben, sollten sich die hir so wunderbar erklärten Unterschiede zwischen einem geplanten Kaiserschnitt (die Medizin nennt ihn elektiv) und einem ungeplanten Kaiserschnitt (Notkaiserschnitt) ganz am Ende einer schlimmen Geburt klar machen, der eben auch lebensbedrohlich werden kann. 
Ganz entscheidend kommt es darauf an, Äpfel nicht mit Birnen zu verwechseln. Wen Ärzte und Ärztinnen oder Hebammen in Kliniken den Frauen mit der “Drohung” Kaiserschnitt Angst einjagen, dann sollte man genau nachfragen, von welcher Art Kaiserschnitt sie reden. Wenn andere Frauen von ihren Erfahrungen mit einem Kaiserschnitt erzählen, sollte man genau nachfragen, welche Art Kaiserschnitt sie hatten. Wenn man in Zeitschriften vom Kaiserschnitt liest oder in Fernsehbeiträgen der Kaiserschnitt erwähnt wird, sollte man argwöhnisch werden, wenn nicht genau unterschieden wird zwischen der einen oder der anderen Variante. Frau Harder tut es im Folgenden anschaulich und ehrlich:

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Von wegen sanft: Wassergeburt im Becken schadet dem Beckenboden

Das Internet ist voll von Seiten, die die Vorteile einer Wassergeburt anpreisen. Auf der ARDO Homepage* liest sich das etwa in einem Beitrag vom 2015-02-24 10:43 so:
“Wassergeburt Die sanfte Entbindungsform im Wasser”
Kliniken werben damit, wenn sie Wassergeburten anbieten und wollen diese Vorteile auch belegen. So zeige zum Beispiel eine Studie der Klinik in Bensberg, dass es unter Wasser weniger Dammrisse gebe. Wörtlich steht da auf bei ARDO: “Ein weiterer Vorteil der Wassergeburt ist, dass ein potentieller Dammriss meist nur oberflächlich und klein ist und oft nicht einmal genäht werden muss, da die Muskulatur entspannter und das Gewebe elastischer und weicher ist. Spätestens am 5. Tag ist er wieder verheilt.”

Ist das so? Mitnichten. Eine Studie aus Liverpool, 2016 veröffentlicht im Rahmen eines internationalen Urogynäkologiekongresses, lässt sogar vermuten, dass das Gegenteil der Fall ist: Bei Wassergeburten steigt offenbar das Risiko für schwerwiegende Verletzungen am Schließmuskel des Darms. (mehr …)

Damit sie wissen, was sie tun: Ärzte sollen Frauen vor den wahren Risiken einer natürlichen Geburt warnen

In dem Blog http://cesareandebate.blogspot.de/ meiner Kollegin Pauline Hull in England habe ich erstmals diesen Satz gelesen: “Birth is natural – such is earthquake” (Eine Geburt ist etwas Natürliches – ein Erdbeben auch). Es gibt eine deutsche Entsprechung: “Zu keiner Zeit ist das menschliche Leben aber so vielen Gefahren ausgesetzt, als zu der Zeit, wo ein neues Geschöpf sein Daseyn erhalten soll”. Es stammt von dem Hebammenlehrer Karl Friedrich Senff aus Halle von 1812. Wir haben uns einfach daran gewöhnt, die natürliche Geburt als das Gegebene anzusehen und ihre Risiken auszublenden. Niemand benötigt eine Rechtfertigung dafür, sie zu empfehlen, sie ist immer unhinterfragt die erste Wahl. Dass man über die Risiken des Gebärens nicht ebenso umfassend aufklären muss wie über die einer Operation oder eines anderen medizinischen Eingriffs, spielte lange Zeit den Gegnern des Kaiserschnitts in die Hände. Damit soll jetzt Schluss sein, zumindest in England, heißt es in einem Artikel der Journalistin Clare Wilson in der Zeitschrift “New Scientist”: Künftig sollen Frauen über die Gefahren einer natürlichen Geburt umfassend belehrt werden müssen. (mehr …)

Studie deckt häufige Episiotomie-Fehler auf: Der Dammschnitt wird meistens falsch gemacht

Nur eine Minderzahl von Hebammen und Ärzten ist in der Lage, den Dammschnitt (Episiotomie) im richtigen Winkel vorzunehmen. Diesen Schluss muss man leider ziehen, liest man die jetzt in einem Fachjournal für Uro-Gynäkologie (International Urogynecology Journal) veröffentlichten Ergebnisse einer britischen Studie: Lediglich 15 % der Studienteilnehmer schafften es, den Schnitt durch den Beckenboden an einem Modell innerhalb des vorgegebenen Winkels von 58 bis 62 Grad links oder rechts von der Mittellinie zu führen. Das ist der Bereich, der für einen Dammschnitt als am sichersten gilt. Das sind bemerkenswert viele Versager bei einer Prozedur, die zu den häufigsten chirurgischen Maßnahmen in der Geburtshilfe zählt. (mehr …)