Bereits im November haben wir über eine Entlastung des Kaiserschnittes berichtet. Es ging um Allergien, insbesondere um Asthma und den Fake-Vorwurf, Kaiserschnittkinder wären häufiger davon betroffen, einfach, weil sie mit dem Kaiserschnitt zur Welt kamen. Ein weiterer Vorwurf, der schon immer von klar denkenden Experten angezweifelt wurde, lautet: Der Kaiserschnitt macht dicke Kinder. Schon vor Jahren habe ich die diesbezüglichen Studien zum Beispiel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisiert. Aber die Kaiserschnittgegner klammern sich zunehmend an solche Vorwürfe. Man erklärt den Müttern in den Geburtsvorbereitungsgesprächen, dass der Kaiserschnitt erhebliche Nachteile für ihr Kind mit sich brächte, wenn etwa Frauen wegen ihrer Risiken in Zweifel ziehen, ob eine natürliche Geburt das Richtige für sie ist. Da niedrige Kaiserschnittraten als gut gelten, versuchen viele Kliniken, Frauen nicht nur bezüglich der Risiken zu beschwichtigen. Sie versuchen auch, ihnen vor dem Kaiserschnitt Angst zu machen – über das Kindeswohl. Jede Schwangere knickt ein, wenn sie denkt, das schade ihrem Kind. Da die Risiken für die Mütter in punkto Beckenboden oft nicht mehr weg zu diskutieren sind, bringt man ein anderes Geschütz in Stellung: Sie werden doch nicht wegen ein wenig Tröpfeln nach der Geburt ihrem Kind langfristig schaden wollen? In Kauf nehmen, dass es an Asthma leidet oder viel zu dick wird. Lassen wir eine neue Studie sprechen, die wieder ein oft genutztes Argument der Kaiserschnittgegner ad absurdum führt.Was haben die Schweden – die Studie stammt aus der Universität in Stockholm und Umea – aus ihren guten Geburts- und sonstigen Registern herausgelesen? Sie haben die Daten von 92.291 Jungs analysiert – und zwar die Geburtsdaten und Angaben zum Geburtsmodus mit den Befunden bei der Musterung abgeglichen. Wenn man berücksichtigte, welche Mütter vor der Geburt schon übergewichtig waren, während der Schwangerschaft einen Gestationsdiabetes oder Bluthochdruck entwickelten und welche rauchten, wenn man in punkto Alter der Mutter oder Geburtsgewicht die Daten abglich, dann blieb kein Unterschied übrig: Sprich – Kinder werden nicht deshalb dick, weil sie mit einem Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind. Was bleibt übrig von dem Zusammenhang von Kaiserschnitt und späterem Gewicht als Kind oder Erwachsener? Ja, es gibt einen Zusammenhang, aber der ist nicht ursächlich. Kinder, die mittels Kaiserschnitt geboren wurden, sind eher übergewichtig als jene, die natürlich entbunden wurden. Das Kind einer schlanken Frau von 26 Jahren, die ihre Ernährung so in der Schwangerschaft fortsetzt und das nur 3000g wiegt, hat gute Chancen, natürlich auf die Welt zu kommen. Das Kind einer Frau, die übergewichtig ist und schon ein wenig älter, sagen wir 36 Jahre, ist vermutlich schon im Mutterleib anders ernährt worden und wiegt eher über 3500 g als darunter. So eine Frau entwickelt auch eher einen Diabetes in der Schwangerschaft. Man weiß, dass viele Frauen es in dieser Konstellation schwerer haben, ihr Kind natürlich zur Welt zu bringen. Denn die Gebärmutter spricht weniger gut auf Wehenmittel an, zum Beispiel. Das Kind ist auch größer, da braucht die Gebärmutter als Muskel eigentlich noch mehr Kraft, um es herauszupressen. Es kommt aber nicht so leicht heraus, weil es schwerer ist. Lauter Handicaps, die am Ende in einem Kaiserschnitt enden – hoffentlich nicht erst, wenn Mutter und Kind massiv erschöpft sind und bereits gefährdet, weil zum Beispiel dem Kind Sauerstoff fehlt oder es schon so auf den Beckenboden gedrückt hat, dass eventuell Nerven und Muskulatur geschädigt wurde. Dieses Kind wird fast zwangsläufig auch eher an Übergewicht leiden, als das Kind der jüngeren, schlanken Frau, die noch viel Sport mitmachen kann, vielleicht anders kocht als die übergewichtige Frau. Da schon wesentliche Weichen in der Schwangerschaft gestellt werden, ist das Kind schon auf höheres Körpergewicht gepolt. Das ist der Grund dafür, warum Kaiserschnittkinder öfter übergewichtig sind als nicht- Kaiserschnitt Kinder. Nicht wegen des Kaiserschnittes, sondern wegen der Vorbedingungen, die auch einen Kaiserschnitt erforderlich machen. Genau dies bestätigt auch die Studie aus Schweden ganz eindeutig: der Body-Mass-Index der Mutter war der stärkste Risikofaktor dafür, dass ein Kind später übergewichtig wird, ganz egal, wie es auf die Welt kam.

Vergleicht man nur die jungen, fitten, schlanken Mütter mit leichten Babys in punkto natürliche Geburt und Kaiserschnitt, bleibt kein Unterschied – wie man übrigens an Geschwisterstudien zeigen kann: Wenn ein Geschwisterkind natürlich geboren wurde, das andere per Kaiserschnitt (zum Beispiel wegen Beckenendlage oder vorne liegender Plazenta), dann sieht man klar, dass der Geburtsmodus keinen Unterschied macht. Dieselbe Mutter, dieselbe Genetik, dasselbe Umfeld, dieselben Risiken, was zum Beispiel Körpergewicht, aber auch was Allergien angeht.

Wenn also eine Mutter einen Kaiserschnitt benötigt, weil das Baby quer liegt, weil es mit dem Becken voran liegt, weil sie Zwillinge hat, … dann muss sie sich keinerlei Gedanken machen, dass dieser Kaiserschnitt das Risiko für Übergewicht bei ihrem Kind erhöht. Sie sollte sich auch bei ihrer Entscheidung nicht bange machen lassen, wenn sie diese Geburtsform für sicherer hält, weil sie eigene Risikofaktoren mitbringt, etwas klein ist, schon älter und schlechtes Bindegewebe hat, also Risse am Beckenboden befürchten muss. Vom Bangemachen a là “Ihr Kind könnte aber dann übergewichtig oder gar fett werden” … bleibt, bei Licht und unter guten Studienbedingungen betrachtet, nichts übrig. Aber, aber, sagen da jetzt die Kaiserschnittgegner, man hat diese Daten ja nur an Jungs erhoben. Was ist mit den Mädchen? Tja, diesen plausiblen Einwand kann man nicht widerlegen. Wenn der Kaiserschnitt bei den Jungs keinen Einfluss auf das Gewicht hat, so könnte er doch bei den Mädchen schädlich sein. Dazu wird es bestimmt auch bald Daten geben. Man muss nur Geduld haben und warten. Die Argumente der Ideologen, die jede Frau auch unter großen Risiken durch eine natürliche Geburt peitschen wollen, sind eben an den Haaren herbeigezogen.

Quellen: Ahlqvist VH, et al.: Elective and nonelective cesarean section and obesity among young adult male offspring: A Swedish population-based cohort study. PLoS Medicine 2019;16(12):e1002996 https://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1002996